niederrheinisch - nachhaltig 

Montag, 5. September 2022

Den inneren Wert des Wasserkreislaufs anerkennen

„Wir sind in der Situation: NRW trocknet aus“, sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer am 26. August 2022 bei der Vorstellung des aktuellen hydrologischen Status-Berichts des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in Duisburg. Die Klimakrise werde gravierende Folgen für Mensch, Umwelt und Infrastruktur haben. (1) Es scheint, als verbreite sich Dürre auch in der Nachhaltigkeitspolitik. 

Mit der Umsetzung der Weltnachhaltigkeitsziele Nr. 6 und 14 soll bis zum Jahre 2030 sauberes Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleistet sein. Die Wasserqualität soll verbessert werden, indem unter anderem die Verschmutzung durch gefährliche Chemikalien beendet wird. Zudem sollen die Gewässer als natürliche Ökosysteme geschützt und wiederhergestellt werden. Die Meeres- und Küstenökosysteme sollen bis 2030 gesund und biodiversitätsreich sein. Die mangelhafte Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie oder die Pläne für eine Rheinvertiefung zeigen, wie groß die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit einer ökologisch orientierten Wasserpolitik ist.

Flüsse befreien

In diesen Tagen ist spürbar, dass die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Modelle, die uns weit gebracht haben, uns offenbar nicht mehr dorthin bringen, wo wir hin wollen. Viele unserer bisherigen Praktiken sind nicht die, die wir für ein nachhaltiges Leben brauchen. Der schlechte Zustand des Wassers ist keine Normabweichung, sondern Charakteristikum einer Wirtschaftsweise, in die Zerstörung und Verfall systematisch eingeschrieben ist. 

Das betrifft auch unser Verhältnis zum Wasser.  Der innere Wert und der Selbstzweck des natürlichen Wasserkreislaufs brauchen mehr Anerkennung und Wertschätzung. „Die Flusskatastrophen dieses und des vergangenen Sommers zeigen, dass endgültig nicht mehr gut geht, was seit Beginn der Flussregulierungen im 18. Jahrhundert selbstverständlich war: Flüsse vor allem als von der Natur praktischerweise zur Verfügung gestellte Hilfsmittel zu sehen, als Transportweg, Energielieferant Wasser und Nahrungsquelle“, schreibt FAZ-Redakteurin Petra Ahle. Flüsse müssten wieder Flüsse werden, mit dem Grundwasser verbunden, mit Sand- und Schotterbänken, Seitenarmen und Auen sie haben „viel von dem, was Wasserbauingenieure des 19. Jahrhunderts den Flüssen austreiben wollten das Unordentliche, Unvorhersehbare.“ (2) 

Nachhaltiges Wassermanagement bedeutet, dass Flüsse  wieder mehr Platz für Uferrandstreifen und dynamische Auen erhalten, um sich zu entwickeln. Sie müssen durchgängig sein, was den Betreiber*innen der „Kleinen Wasserkraft“ nicht gefällt. Belastungen mit Nährstoffen, Chemikalien, Spurenstoffen, pharmazeutischen Rückständen, Mikro- und Nanoplastik sind zu vermeiden.

Flüsse zu befreien bedeutet auch, sie um der ökologischen Sache willen in ihrer wirtschaftlichen  Nützlichkeit für den Menschen einzuschränken. Der mögliche ästhetische Gewinn entzieht sich den volks- und betriebswirtschaftlichen Berechnungen.  

Wasser und Volkswirtschaft

Nahezu alle Aspekte einer nachhaltigen Zukunft für die Menschen sind mit Wasser verbunden: Anpassung an den Klimawandel, Produktion und Konsum, grenzüberschreitende Diplomatie, Landschaftssanierung, Ernährungssouveränität, lebenswerte Städte, innovative Technologien, Geschlechtergleichstellung. Die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Wasserrisiken sind immens.

Ob Dürre oder Überschwemmung, die zunehmende Häufigkeit und Schwere wasserbedingter Ereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel stellen eine sehr reale Herausforderung für die menschliche Wirtschaft und Gesellschaft dar. Siegfried Gendris (Der Wasserblog) hat jüngst in einem Beitrag die volkswirtschaftlichen Risiken des mangelhaften Wassermanagements analysiert. (3) Es war eine auf Akkumulation, Expansion und Wachstum ausgerichtete Volkswirtschaft, deren intensive Ressourcennutzung die ökologische Krise verursacht hat. Mit welchen  Mitteln kann diese Wirtschaft diese Krise bewältigen? 

Kiesabbau, Braunkohletagebau, Flächenausweisung oder Landwirtschaft: Bisher galt „Wir müssen den Schutz und die Nutzung der Gewässer so weit wie möglich in Einklang bringen.“ Heute scheint die Herausforderung darin zu bestehen, die Nutzungen so zu beschränken, dass auch in Zukunft sauberes Wasser für alle zur Verfügung steht. In ihren gewässerpolitischen Handlungsempfehlungen raten die Forscher*innen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei dazu, einen ökologischen Grundbedarf zum Wasserschutz zu definieren und klare Regelungen für Entscheidungen und Abwägungen bei konkurrierenden Schutz- und Nutzungsansprüchen von Binnengewässern zu treffen. (4)

Das Unsichtbare sehen - Der Wert des Wassers

Ins Wasser zu investieren, bedeute ins Leben zu investieren, denn Wasserinvestitionen stehen für Gesundheit, Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Chancen im Kampf gegen den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust, sagt die niederländische Ministerin für Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit Liesje Schreinemacher (5).

Doch ein großes Wasserproblem ist unsichtbar: die Verfügbarkeit von sauberem Wasser. „Das Unsichtbare sehen – Der Wert des Wassers“ lautete das Motto der Weltwasserwoche 2022, die vom 23. August bis zum 1. September online und in Präsenz in Stockholm stattfand. (6)

Wissenschaftler*innen trafen auf Entscheidungsträger*innen, nationale Institutionsvertreter*innen begegneten in Seminaren, Workshops oder bei Ausstellungen den Menschen aus Nichtregierungsorganisationen. Die Konferenz legte ihren Schwerpunkt auf das unsichtbare Wasser: Grundwasser, Bodenfeuchte, atmosphärisches Wasser. Deren Potenzial und deren Gefährdungen sind bis heute unzureichend erforscht. Welche intelligenten Anbaumethoden können Fruchtbarkeit und Feuchtigkeit des Bodens erhalten oder wiederherstellen?

Den diesjährigen „Stockholm Water Prize“ erhielt der emeritierte Professor für Ingenieurswissenschaften an der US-amerikanischen Cornell University Wilfried Brutsaert (Jg. 1934). Seine Arbeit umfasst ein breites Themenspektrum im Zusammenhang mit Hydrologie und Strömungsmechanik in der Umwelt, doch am bekanntesten wurde er durch seine bahnbrechenden Forschungen zur Verdunstung und Grundwasserspeicherung.  Mit ihnen konnte er neue Erkenntnisse zur Beeinflussung des Wasserkreislaufs durch die Erderwärmung einbringen. Die Arbeiten von Wilfried Brutsaert haben das wissenschaftliche Verständnis des Wasserkreislaufs erheblich vorangebracht, sind aber auch von grundlegender Bedeutung für die praktische Wasserwirtschaft.

Wasserwirtschaft

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein UN-Menschenrecht. In ihrem Europäischen Grundwassermemorandum fordern rund 170 Wasserversorger entlang der Europäischen Flussgebiete Politik, Wirtschaft und Verwaltung auf, dem Wert des Wassers und seinem Schutz höchste Priorität im gesellschaftlichen Handeln einzuräumen. Sie verlangen, die Trinkwasserversorgung nachhaltig zu schützen und das Wasser nicht zu verunreinigen oder zu übernutzen. Grundwasser sei wertvolles Allgemeingut und keine Handelsware. Der öffentlichen Trinkwasserversorgung für Menschen müsse gegenüber konkurrierenden Nutzungsansprüchen der Landwirtschaft, des Bergbaus oder der Industrie stets Vorrang eingeräumt werden. Das umweltpolitische Vorsorge- und Verursacherprinzip und das Verschlechterungsverbot seien konsequent anzuwenden. (7)

Dass dabei auch noch etliche Aufgaben für die NRW-Wasserwirtschaft zu erledigen sind, zeigte bereits 2019 die Studie zu deren Handlungsfeldern. (8) Die Durchführung dieser elementaren Aufgaben der Daseinsvorsorge sei zunehmend durch den sich stetig weiterverschärfenden Fachkräftemangel gefährdet, teilte die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall im Februar 2022 mit. Sie will mit einem „Employee - Branding“ die Bedeutung der Wasserwirtschaft wieder stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung bringen. (9) Die Ergänzung um ein „Water - Branding“ als  befreites Subjekt mit eigenen Rechten steht noch aus...  

Verweise

1. Land NRW. Umweltminister Krischer: Klimakrise wird gravierende Folgen für Mensch, Umwelt und Infrastruktur haben. [Online] 26. August 2022. https://homepagedesigner.telekom.de/.cm4all/widgetres.php/com.cm4all.wdn.Button/images/thumbnail.svg https://www.land.nrw/pressemitteilung/umweltminister-krischer-klimakrise-wird-gravierende-folgen-fuer-mensch-umwelt-und

2. Ahle, Petra. Der befreite Fluss. FAZ. 1. September 2022

3. Gendries, Siegfried;. Wasserrisiken könnten Kosten von über 5,6 Billionen Dollar bis 2050 mitverursachen. [Online] 31. August 2022. https://www.lebensraumwasser.com/wasserrisiken-koennten-kosten-von-ueber-56-billionen-dollar-bis-2050-mitverursachen/

4. Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Biologische Vielfalt in Binnengewässern – bedrohte Lebensgrundlagen von Natur und Mensch besser schützen - Forschungsbasierte Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Gewässerpolitik. [Online] September 2021. https://www.igb-berlin.de/sites/default/files/media-files/download-files/IGB_Policy_Brief_21_Biodiversitaet.pdf

5. [Online] https://twitter.com/DutchMFA/status/1565376677110288386

6. World Water Week. [Online] https://www.worldwaterweek.org/

7. ERM Koalition. Europäisches Grundwassermemorandum zur qualitativen und quantitativen Sicherung der Trinkwasserversorgung für zukünftige Generationen. [Online] 22. März 2022. https://www.riwa-maas.org/wp-content/uploads/2022/05/European_Grundwassermemorandum_DE.pdf

8. IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung , Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft FiW an der RWTH Aachen, IKT-Institut für Unterirdische Infrastruktur. Analyse zum Stand und zur Entwicklung der Wasserwirtschaft in NRW. [Online] August 2019. https://www.ikt.de/wp-content/uploads/2019/11/studie-handlungsfelder-wasserwirtschaft-nrw-2019-iww-fiw-ikt.pdf

9. DWA. Wasserwirtschaft und Politik gemeinsam gegen den Fachkräftemangel. [Online] 24. Februar 2022. https://de.dwa.de/de/presseinformationen-volltext/Fachkraeftemangel-Wasserwirtschaft.html

8. September 2018: Wasserschutz in der Region: Über Personalmangel, frisierte Nitratwerte und den guten Ton


16. September 2018: Nachhaltige Vollzugsdefizite: Über die Nitratstudie des Kreises Viersen


19. Oktober 2020: Über die WRRL und das Gewässermanagement im Grenzland



Mittwoch, 20. Januar 2021

IAWR-Appell: Wasser schützen - GAP umsteuern

„Wasser ist unersetzbar und sauberes Trinkwasser für alle unverzichtbar“. Deshalb führe an einer beherzten, zukunftsfähigen Transformation der Agrarwirtschaft kein Weg vorbei. So argumentieren führende Wasserwirtschaftsverbände in einem groß angelegten Aufruf zur Wertschätzung und Reinhaltung unseres Wassers. Die bisherigen ministeriellen und parlamentarischen Beschlüsse zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) seien unzureichend. Deren Änderung sei alternativlos. Die Kommission habe mit dem European Green Deal einen Plan auf den Weg gebracht, der zum Erhalt unserer Trinkwasserqualität dringend erforderlich sei.  

„(Grund)Wasser ist unser wertvollster materieller Schatz auf der Erde. Dieser Schatz wird mit dem Klimawandel zunehmend gefährdet und immer kostbarer“, stellt Wolfgang Deinlein, Geschäftsführer des IAWR, fest. Die Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserversorgung im Rheineinzugsgebiet (IAWR) hat deshalb mit den Trinkwasserversorger-Gemeinschaften in den Flusseinzugsgebieten von Maas und Schelde, die gemeinsam rund 81 Mio. Menschen mit Trinkwasser versorgen, einen Appell zum Umsteuern der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und zur Anpassung an den European Green Deal gestartet. Der Appell wird vom europäischen Dachverband des Wassersektors (EurEau) unterstützt und richtet sich an die Schlussverhandlungen zur GAP, die bis Ostern 2021 abgeschlossen sein sollen.

Das gibt politischen Rückenwind für den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Frans Timmermans. Nicht nur er ist sich sicher: Die von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ausgehandelte Verhandlungsposition des Agrarrats verfehlt die im European Green Deal angestrebten Umwelt- und Klimaschutzziele. IAWR-Präsident Prof. Dr. Matthias Maier betont: Mit dem Appell möchten wir die Ziele des European Green Deals zum Klimaschutz, das Null-Schadstoff-Ziel für eine schadstofffreie Umwelt, die ‚vom Hof auf den Tisch‘-, die Chemikalien- und die Biodiversitäts-Strategie mit allem gebotenen Nachdruck unterstützen.“

Gerade Grundwässer, deren Alter oft mehrere Jahrzehnte bis hin zu Jahrtausenden beträgt, können auf unabsehbare Zeit belastet sein, wenn der dringend benötigte Schutz dieser Trinkwasser-Ressourcen nicht jetzt mit der GAP 2021-2027 eingeführt wird“, heißt es in dem Aufruf.

Die bisherige konventionelle landwirtschaftliche Praxis sei mit beträchtlichen Einträgen von Pflanzenschutzmitteln/Pestiziden, Gülle und Düngemitteln in Luft, Böden und (Grund)Wasser verbunden. Sie könne irreparable Schäden der (Grund)Wasserqualität erzeugen, da in der Regel keine Rückholbarkeit einmal freigesetzter Stoffe aus der Umwelt bestehe. In der Folge müssten immer weitere, teure und energieintensive Aufbereitungsanlagen in den Wasserwerken auf Kosten der Bevölkerung gebaut werden.

Zudem reicherten sich nicht mehr abbaubare (persistente) Stoffe kontinuierlich in der Umwelt und damit letztlich auch im Menschen an. Es sei absehbar, dass in der Zukunft weitere technische Nachrüstungen nicht mehr ausreichen, um kritische Trinkwasserbelastungen zu entfernen. Daher müsse man den landwirtschaftlichen Stoffeinträgen und – überschüssen Einhalt gebieten. „Die GAP 2021-2027 und der European Green Deal bieten hierzu eine historische Chance, die nicht vertan werden darf“ – heißt es in dem Appell.

Die Trinkwasserversorger setzen auf Nachhaltigkeit: „Es ist der jetzigen Generation nicht gestattet, den nachfolgenden Generationen intakte Trinkwasser-Ressourcen als unverzichtbarer Lebensgrundlage vorzuenthalten. Dies gilt es jetzt ohne weiteren Zeitverzug abzuwenden und die GAP mit starkem politischem Gestaltungswillen umzusteuern.“

Weitere Informationen unter https://iawr.org/aktuelles/

  

Samstag, 19. Dezember 2020

Ist Trinkwasserschutz "eine große Frage unserer Zeit"?

Im Juni 2017 wollten CDU und FDP die nordrhein-westfälische Wirtschaft mit einem Koalitionsvertrag für Braunkohle, Kies und Flächenversiegelung als Nr.1 im europäischen Standortwettbewerb platzieren. Seitdem gab es drei Dürren, eine Kohlekommission, das Konzept eines europäischen green deal, Fridays for Future und eine Pandemie. Unter der Überschrift „Verheizte Heimat“ berichtet die TAZ heute von einem internen Memo des Bundeskanzleramts. Darin werde vermerkt, dass die Absicherung von Garzweiler II ein zentrales Anliegen von RWE/NRW gewesen sei. Im November wiesen „Grenzlandgrün“ und die Initiative „Finger weg von unserem Trinkwasser“ darauf hin, dass sich das NRW-Umweltministerium die Wasserschutzgebietsverordnung von einem Fördermitglied des Vero-Baustoffverbands erarbeiten lässt. In der vergangenen Woche gruben das Europaparlament, der Düsseldorfer Regionalrat und das „Zukunftsforum öffentliche Sicherheit“ der Düsseldorfer nicht-nachhaltigen Entfesselungsideologie Wasser ab. Es geht um die neue europäische Trinkwasserrichtlinie, einen Beschluss zur Novellierung des Landeswassergesetzes und Risikoanalysen im „Grünbuch 2020“.  

EU-Trinkwasser-Richtlinie – Erfolg für die europäische Demokratie  

Am 15. Dezember 2020 wurde die Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Verhandlungsergebnis über die „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ verkündet. Sie wird im Januar 2021 in Kraft treten und muss bis Frühjahr 2023 in nationales Recht umgesetzt werden.

Damit wird die Forderung der ersten europäischen Bürgerinitiative „Right2Water” („Wasser ist ein Menschenrecht“) nach einem EU-weiten Zugang zu sauberem Trinkwasser europäisches Gesetz. In Deutschland wird der Bau öffentlicher Wasserspender Pflicht. Sie werden allen Menschen zur Verfügung stehen. Dadurch soll nicht nur die Wasserversorgung von besonders schutzbedürftigen Personen verbessert, sondern auch die Nutzung von Einweg-Plastikflaschen verringert werden. Öffentliche Wasserspender ermöglichen ein besseres Leben mit weniger materiellem Konsum. 

Die Richtlinie schreibt vor, dass große Trinkwasserversorger, die für über 50.000 Menschen zuständig sind, über ihre Eigentümer- und Entgeltstruktur, über ihre Wasserverluste und zusammenfassend über Beschwerden ihrer Kundinnen und Kunden informieren müssen.

Ab Frühjahr 2026 gelten Grenzwerte für bisher nicht im Trinkwasser gemessene Substanzen wie Chlorit, Chlorat, Halogenessigsäuren, Microsystin-LR, Uran oder das umstrittene Bisphenol A, einem Bestandteil vieler Plastikprodukte des täglichen Gebrauchs. Die Europäische Chemieagentur hatte den Stoff als besonders besorgniserregend eingestuft. Er wirkt wie ein Hormon und kann zu Diabetes, Fettleibigkeit oder Entwicklungsstörungen bei Kindern führen. Die neue Richtlinie halbiert die bestehenden Grenzwerte für Blei und Chrom im Trinkwasser.

Um die Menschen auch vor anderen hormonellen und pharmazeutischen Spurenstoffen, vor Mikroplastik oder den als Ewigkeitschemikalien bezeichneten perflourierten Alkylsubstanzen (PFAS) zu schützen, wird die Europäische Kommission derartige mit einem Gesundheitsrisiko verbundene Stoffe bis Anfang 2022 auf eine Beobachtungsliste (Watchlist) setzen. Die Trinkwasserversorger werden verpflichtet, diese Substanzen zu messen. Auf Basis der so gesammelten Daten sollen dann verbindliche Grenzwerte festgelegt werden.

Foto: Simon Ritter

Sven Giegold, Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Fraktion für die Neufassung der Trinkwasser-Richtlinie, kommentiert den „Erfolg für die europäische Demokratie“: „Die Entscheidung ist ein großer Fortschritt für die Sauberkeit und den öffentlichen Zugang von Trinkwasser. Ganz Europa wird öffentliche Trinkwasserspender bekommen. Das Leitungswasser in Europas Haushalten wird durch strengere Grenzwerte für Hormongifte sauberer werden. Viele Menschen werden dadurch kein Trinkwasser mehr kaufen müssen, sondern können auf Leitungswasser umsteigen. Sauberes Leitungswasser ist ein wichtiger Baustein für nachhaltigen und ressourcenschonenden Konsum. Sauberes Trinkwasser bedeutet Verbraucher- und Umweltschutz zugleich. Es werden weniger Plastikflaschen benötigt, wenn Trinkwasser sauberer und öffentlich zugänglich ist. Dieser Erfolg gehört der europäischen Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“. Als Wermutstropfen bleibt, dass die Bundesregierung und andere Regierungen die Richtlinie in vielen wichtigen Punkten abgeschwächt haben. Trotz der Verwässerung durch die Regierungen bleibt ein gutes Ergebnis, das wir in erster Linie der Zivilgesellschaft verdanken.“

Der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU), dessen Mitglieder mehr als 90% aller Deutschen mit Trinkwasser versorgen, ist überzeugt, dass die EU mit der Richtlinie „die Wertschätzung des Wassers und das Vertrauen der Bürger in ihr Wasser stärkt“.

Der Schwalmtaler Europaabgeordnete Stefan Berger freute sich am 17. Dezember 2020 auf seiner Facebook-Seite darüber, dass die EU-Gesetzgebung mit der Richtlinie „die Trinkwasserversorgung noch sicherer mache“.

Grünbuch 2020 – Das Undenkbare denken  

Das Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit ist eine fraktionsübergreifende Initiative von Bundestagsabgeordneten, die gemeinsam mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft das „Undenkbare denken“ und Sicherheitsbehörden Risikoszenarien beleuchten, Thesen entwickeln, Leitfragen formulieren und Lösungsansätze beschreiben. Das Forum möchte „stärker erkenntnisorientiert und weniger interessengeleitet“ das öffentliche Problembewusstsein für den Umgang mit Risiken schärfen.

In welche Bedrängnis die öffentliche Trinkwasserversorgung durch wiederkehrende Dürren und eine Resilienz und Vorsorge ignorierende Ökonomisierung geraten könnte, beschreibt der Berliner Think-Tank im 67-seitigen Grünbuch 2020 zur Öffentlichen Sicherheit. Es erschien am 18. Dezember 2020.

Das Grünbuch schildert in einem drastischen Szenario, wie es der Familie Weber im August 2030 nach sechs Jahren Dürre auf dem Höhepunkt einer Hitzewelle bei 45 Grad im Schatten ergehen könnte. Da geht es um fehlende Klimaanlagen, aussetzende Telefonleitungen, um Stromausfälle, um das Fehlen von Notbrunnen und Hitzeaktionsplänen, um erschöpfte Hilfskräfte, verformte Schienen, um Brände und ausgetrocknete Löschteiche, um versagende Abwassersysteme, steigende Lebensmittelpreise, blank liegende Nerven, um Hitzetote und überlastete Beerdigungsinstitute. „Einige Regionen in Deutschland leben inzwischen mit Ersatzwasserversorgung, die vor allem Krankenhäuser und Pflegeheime vor kaum lösbare Probleme stellt.“ 

Etliche seit 2025 getroffene Vorsorgemaßnahmen würden nicht mehr ausreichen: Zisternen in Gärten, Brauchwasser-Aufbereitung für die landwirtschaftliche Bewässerung, Vorrats- und Lagerhaltung, immer weiter ausgedehnte Nutzungsverbote, die Gründung einer nationale Wasserkommission für neues Wassermanagement…

Das Zukunftsforum fordert daher einen bundeseinheitlichen Hitzeaktionsplan, ein nationales Wasser- und Ressourcenmanagement mit dezentraler Logistik, die Ausweitung einer notstrombasierten Trinkwasseraufbereitung, mehr Personal und technische Ressourcen für Rettungsdienste und den Zivil- und Katastrophenschutz, die Härtung öffentlicher Liegenschaften gegenüber Wetterextremen und Stromausfall oder den Ausbau des Warn- und Informationsmanagements für die Bevölkerung.

Im ersten Grünbuch 2008 monierte das Forum unter anderem, dass für den Umgang mit einer Pandemie überregionale Notfallplanungen und eine Vorratshaltung von medizinischem Material fehlten. Das Forum ließ damals offen, ob im Falle einer Seuche die föderalen Strukturen des Gesundheitswesens und Katastrophenschutzes geeignete Organisationsformen zur Krisenbewältigung seien. Das Forum befürchtete, dass eine Krisen- und Katastrophenlage weniger durch die Infektion selbst als vielmehr durch die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung – wie die Schließung von Schulen oder das Verbot von Massenveranstaltungen – hervorgerufen werden könne…Manches liest sich aus heutiger Perspektive wie eine zutreffende Prophezeiung.

Deklaration des Düsseldorfer Regionalrats mit offener Relevanz  

Unter Corona-Bedingungen beschloss der Düsseldorfer Regionalrat am 17. Dezember 2020 einstimmig eine „Erklärung zu den Auswirkungen des Gesetzentwurfes des Landeswassergesetzes auf die zukünftige Steuerungsmöglichkeit der Abgrabungspolitik des Regionalrates Düsseldorf“. Darin betont er, dass im Regierungsbezirk das Abgrabungsverbot in der Wasserschutzzone aufrecht erhalten bleibt.

Der Regionalrat habe die Abgrabungstätigkeit bisher so gesteuert, dass der Konflikt zwischen der Trinkwassergewinnung und dem Kiesabbau möglichst vermieden wurde. Wasserschutzgebiete galten der Regionalplanung bereits vor dem nordrhein-westfälischen Abgrabungsverbot von 2016 als Tabuzonen für den Abbau von Rohstoffen. Diese Vorgehensweise sei durch das Oberverwaltungsgericht Münster und das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Da sich im Regierungsbezirk Düsseldorf die Rohstoffvorkommen von Kies und Sand über sehr große Flächen erstrecken, bestehe keine Notwendigkeit, Wasserschutzzonen in Anspruch zu nehmen.

Offen ist, was von dieser Erklärung übrig bleibt, wenn das NRW-Landesplanungsgesetz geändert ist und das NRW-Umweltministerium eine vom kiesindustriefreundlichen Rechtsanwaltsbüro „Wolter-Hoppenberg“ erarbeitete Wasserschutzgebietsverordnung erlassen hat. Der auf Initiative der Grünen zustande gekommene ursprüngliche Beschlussentwurf der Bezirksregierung war schlichter und eindeutiger: „Der Regionalrat fordert die Landesregierung auf, das Abgrabungsverbot in Wasserschutzzonen aufrechtzuerhalten.“ Doch dem mochten sich CDU und FDP nicht anschließen.

Sie sind offenbar immer noch fest entschlossen, die „Laschet/Lindner – „Modernisierungspartnerschaft für 2017-2022“ stur durchzusetzen. CDU und FDP versprachen 2017 als Bündnis des Aufbruchs und des Ausgleichs mit Mut, Zuversicht und großer Entschlossenheit, „bei der Lösung der großen Fragen unserer Zeit zu einem Impulsgeber in der deutschen und europäischen Politik zu werden.“

Jetzt muss nur noch geklärt werden, was wohl die großen Fragen unserer Zeit sind. 

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