niederrheinisch - nachhaltig 




Samstag, 16. November 2024

Waldnieler Zehrungsgeschäfte

Die  Beschaffung der Waldnieler Brandspritze im Jahr 1788 war teurer als ursprünglich berechnet. In ihrer ersten Ausgabe ging „Unsere Heimat“  den Gründen nach…

»Ehedem war es auch bei ernsten Gemeindegeschäften kaum anders denkbar, als dass sie sich bei einem kleinen Gelage abwickelten. Die Kosten, die ein solches Besprengen des Aktenstaubes verursachte, fanden sich später in den Bürgermeisterrechnungen wieder.

So war es am 28. Dezember 1787 in Waldniel, als die Bürgermeister mit Wilhelm Besselmanns aus Viersen über die Lieferung einer Brandspritze verhandelten,  wobei an ‚nötiger Zehrung‘ 45 Albus draufgingen. Besselmanns  wurde vertraglich verpflichtet in gleicher Güte wie er für Viersen bereits zwei Brandspritzen geliefert hatte und zum selbigen Preise,  nämlich für 97 ½ Reichstaler, jeden zu 80 kölnischen Albus gerechnet, nun auch eine Brandspritze für den Flecken Waldniel anzufertigen. Überdies sollte er während der nächsten zwei Jahre die Spritze sechsmal untersuchen und ausprobieren, etwaige Mängel unentgeltlich beseitigen oder ausbessern lassen.

Am 8. Juni 1788 war die Brandspritze fertig. Der Bürgermeisterbote holte sie fünf Tage später mit Pferd und Karre in Viersen ab. Für Fracht und Zehrung erhielt er 76 Albus; außerdem mussten bei der Durchfahrt in Dülken 20 Stüber für Zoll und Zehrung entrichtet werden. Alsdann weilte der Meister mit seinem Sohn zum Ausprobieren der Spritze zwei Tage lang in Waldniel. Was sie aßen und tranken kostete die Gemeinde 50 Albus. Da der Besitz einer Brandspritze für die damalige Zeit immerhin bedeutsam war, ist es nicht verwunderlich, dass die Bürgermeister und Meistbeerbten sich zu den Versuchen einfanden und durch ihren Verzehr den Gemeindesäckel um 1 Reichstaler 20 Albus erleichterten.

Damit waren die Auslagen aber noch nicht beendet. Für ein Häuschen darin die Brandspritze untergebracht werden sollte, sowie für die zum Fahren der Spritze erforderlichen vier Räder und etliche andere Arbeiten, die damit zusammenhingen, erhielt der Baumeister Johannes Reimers 18 Reichstaler 41 Albus 8 Heller. Ein Schmied berechnete als Lohn und für 89 ½  Pfund Eisen, das er teils an den Rädern, teils zu Krampen, Gehänge,  Nägeln und einem Schloss für das Spritzenhäuschen verarbeitete, 4 Reichstaler 54 Albus 2 Heller.  Um im Brandfalle hinlänglich Wasser herbeischaffen zu können,  wurden 8 Weinfässer erworben,  die halbiert 6 Kübel ergaben und an den öffentlichen Pumpen Aufstellung fanden,  zuvor aber noch auf Schlittenkufen gesetzt wurden. Das kostete insgesamt wiederum 22 Reichstaler. Endlich wurde noch jemand beauftragt, der das Spritzenhaus und die Brandkübel anstreichen sollte. Er benötigte dazu 7 ¾  Quart Öl, 1 Pfund 7 Lot Goldglied (Goldglätte, ein dunkelgelbes Bleioxyd) 8 Pfd. Braunrot, 4 Lot Schwärzel und 4 Lot Bleiweiß. Den Arbeitslohn für ein zweimaliges Streichen inbegriffen, machte die Rechnung nur 2 Reichstaler 57 ¼ Stüber aus. Insgesamt waren die Kosten aller Anschaffungen doch auf 144 Reichstaler 91 Albus 10 Heller angewachsen und da dies immerhin eine erkleckliche Summe war, richteten die Meistbeerbten Waldniels am 27. November 1789 an die Düsseldorfer Regierung die Anfrage, ob sie allein die Kosten aufbringen müssten oder ob eine allgemeine Umlage statthaft sei.

Die „nötigen Zehrungen“ hielt man auch künftig bei. Meister Besselmanns, der im Herbst 1788, wie ihn der Vertrag verpflichtete, nach Waldniel kam, um die Spritze zu probieren und zu schmieren, leerte mit den ihm behilflich gewesenen Bürgern 25 Quart Bier, die in der Gemeinderechnung mit 50 Stübern angeführt wurden.  Endlich zahlte man 40 Stüber einem gewissen Veit Schrörs aus wegen seiner Bemühungen und Aufsicht der Brandspritze halber. (Waldnieler Gemeindearchiv)«

Unsere Heimat Nr. 1 - Oktober 1929


Samstag, 9. November 2024

Novembergewirr

35 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer hat sich das wirtschaftliche Gefüge so verändert, dass etwas ins Rutschen gerät. Boisheim hat eine Kitastrophe. Visionen entstehen an der Wallstreet. Der neue Bundesfinanzminister hat beim 'Greenwasher' Goldman Sachs gelernt. Ines Schwerdtner hält's für verrückt. Der Bundeswirtschaftsminister sucht in Küchengesprächen nach neuen Losungen und Lösungen.  Daran sei der gesamte Liberalismus schuld, behauptete der Liberale Gustav Stresemann bereits vor 105 Jahren...

 »Etwas ist ins Rutschen geraten. Die Stimmung im Land ist gereizt, bedrückt. Der Spaltpilz des Populismus ist eingedrungen und er breitet sich aus.«
Robert Habeck: Meine Bewerbung als Kandidat für die Menschen in Deutschland vom 8. November 2024 

»Demokraten wie Harris oder auch Walz können an den Rändern des Populismus knabbern, aber nicht, während sie gleichzeitig eine wirtschaftliche Vision um die Wünsche reicher Wall-Street-Berater herum aufbauen. […] Es hat etwas Seelenloses, wenn die Demokraten der Unternehmensgier und der Vermögensbildung Einzelner ein freundlicheres, sanfteres Gesicht geben, statt sich leidenschaftlich für eine öffentlich finanzierte Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung und bezahlbaren Wohnraum einzusetzen.«
Sarah Lahm: Midwest Dispatch. Progessive.org am 6. November 2024 

 »Wer keine Familie hat, die einem den Rücken freihält, hat wirklich ein ernstes Problem. Mein Chef findet das wirklich nicht mehr lustig, wenn ich immer wieder mein Kind betreuen muss, statt zu arbeiten.«
Yvonne Meuters im Grenzland-Kurier vom 9. November 2024

»Auch die Kollegen sind nicht begeistert.«
Lea Föhr im Grenzland-Kurier vom 9. November 2024

»Der Staat lag bis gestern in den Händen eines Cum-Ex-Kanzlers und eines Porsche-Ministers. Heute wird letzterer ersetzt durch einen Goldman-Sachs-Minister und es droht ein Black-Rock-Kanzler. Entschuldigung, das ist wirklich verrückt. Das ist nicht mehr normal.«
Ines Schwerdtner (Die Linke) auf einer Pressekonferenz am 7. November 2024

»Verwirrende Lehren, verwirrter Handel walten über der Welt. Das hat begonnen mit dem Tage, den man uns jetzt in manchen Bundesstaaten als künftigen Nationalfeiertag vorschlägt, nämlich mit dem Tage der deutschen Revolution. In der Frage, ob wir den 9. November als einen nationalen Feiertag oder als einen Tag nationaler Trauer ansehen, darin allein schon scheiden sich die Geister. [...]

Man spricht davon, dieser 9. November habe den Zusammenbruch eines Systems gebracht, das innerlich morsch und faul und abbruchreif gewesen wäre. […] 

Die Schuld liegt an dem gesamten Liberalismus, und sie liegt, wenn Sie weiter sehen und sich einmal die Vergangenheit unter größeren Gesichtspunkten ansehen, darin, daß wir in der Tat in der Zeit, in der Deutschland groß und mächtig wurde, ein materielles Bürgertum gehabt haben, saturiert, seine politischen und seine kulturellen Ideale vergessend. So, wie wir früher in zu weitgehendem Maße lediglich das Volk der Dichter und Denker waren, so wurden wir in zu weitgehendem Maße lediglich das Volk der wirtschaftlich schöpferischen und rechnenden Akademiker.

[…] Täuschen wir uns nicht: Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter in der Vergangenheit verstanden im allgemeinen mehr von Politik als der akademische Bürger der Vergangenheit. Es ist ein trauriges Bild, das das deutsche Bürgertum geboten hat.«
Gustav Stresemann: Rede auf dem Parteitag in Jena. 13. April  1919

»Deshalb möchte ich erst einmal zuhören – Ihnen und euch. Erfahren, was Sie umtreibt in Ihrem Alltag, worauf es Ihnen ankommt. Vielleicht komme ich ja auf Ideen, die ich sonst nie hätte. Vielleicht reden wir am Küchentisch. Ich fände es jedenfalls schön. Sie laden mich ein und wann immer die Zeit es zulässt, baue ich Küchentischgespräche in meinen Alltag ein…«
Robert Habeck: Meine Bewerbung als Kandidat für die Menschen in Deutschland vom 8. November 2024

»Man spricht davon, seit dem 9. November gäbe es ein freies deutsches Volk, das endlich die Fesseln der Unfreiheit von sich geworfen hätte...«
Gustav Stresemann: Rede auf dem Parteitag in Jena. 13. April  1919


Samstag, 2. November 2024

Allerseelenwumms

Auf vielen Gräbern blüht heute der vor 100 Jahren im 'Niederrheinischen Sonntagsblatt' beschriebene Allerseelenfrühling. Ein Händereichen geht durchs Grenzland, denn der Theaternonsens braucht eine Bedeutung…

»Allerseelen! Der Gedenktag Allerseelen ist gleich einem gewaltigen Markstein an der Straße des Lebens, er heißt uns für den Augenblick stille stehen und um und in uns zu schauen. […] Auf allen Gräbern blüht der Allerseelenfrühling, wie wunderbar ist diese stille Allerseelenstunde. Es senkt sich eine unendliche Trauer in manche Seele bei dem Gedanken daran, dass alle schäumende und übersprudelnde Kraft, dass alles Menschenglück […] mit dem Alleinsein und Einsamsein, mit dem Harren und Hoffen endet. […] Am heutigen Allerseelentage geht ein Händereichen durchs ganze Land. -  Die Finger zwar sind kalt und tränennass, aber sie fühlen, die anderen sind da - eine große Legion von Betrübten, die irgendeinen kleinen Grabhügel nicht vergessen können…«
Maria Grote: Allerseelen. Niederrheinisches Sonntagsblatt vom 2. November 1924

»Das Leben geht weiter, aber die Zeit scheint stillzustehen.«
Astrid Zimmermann: Wenn das Feuer verglüht. Jacobin #18  

 

»Alles scheint ganz wichtig und ist zugleich herrlich egal.  […] Der Nonsens braucht eine Bedeutung. Die Lösung: Alles hat Bedeutung.«
Yasmin M’Barek entdeckt: die Industrie. DIE ZEIT vom 30. Oktober 2024

»Unsere volle Konzentration ist nun darauf gerichtet, dass Deutschland wirtschaftlich wieder international an die Spitze aufschließt.«
Christian Dürr (FDP) in der WELT vom 31. Oktober 2024

»Man sieht diese Nachrichten und dann denkt man - ich hab’s verstanden: wir werden alle sterben – Hauptsache es geht schnell.«
Claus Ruhe Madsen (CDU) am 31. Oktober 2024 bei ‚Maybritt Illner'

»Ein gewisses Level an Bullshit ist immer dabei, wenn Politiker*innen Interviews geben.«
Jakob Blasel (Grüne Jugend) bei „Markus Lanz“ am 31. Oktober 2024

»Die dauernde Reibung von Vision und Wirklichkeit kann dazu führen, dass man vor lauter Sachzwängen kapituliert und am Ende gar nichts mehr will. […] Im Nachhinein denke ich, dass wir viele Mauern auch im eigenen Kopf aufbauen. Und dass es diese Mauern einzureißen gilt.«
Ricarda Lang (Grüne) in der ZEIT vom 24. Oktober 2024 

 

»Darüber muss man sprechen. Wichtig ist mir allerdings: Wir müssen wegkommen von den ‚Theaterbühnen‘...«
Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Pressekonferenz am 25. Oktober 2024 in Neu-Dehli

»Diese Entwicklungen stecken noch in den Kinderschuhen, aber es wird immer deutlicher, dass sich auf der Weltbühne neue Kräfteverhältnisse abzeichnen.«
Loren Balhorn: Die doppelte Meuterei. Jacobin #18


Samstag, 26. Oktober 2024

Grünvergrauung

Goldener Oktober:  goldene Gewinne mit dem wettbewerbsfähigen Strom aus Eden? Vernebelt eine Grünvergrauung das, was mit der Zeit geht?

»Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden, gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern und teilte sich von da an in vier Hauptarme.«
1. Mose 2, 8 - 10

»Während ich mir vorstellte, wie andere in der alten Donau schwammen, sich auf dem Steg sonnten, ein Brickerl von der Imbissbude aßen und unvergessliche Erinnerungen mit ihren Freunden schufen, saß ich auf einem unbequemen grauen Bürosessel, der die stillen Fürze unzähliger Beamter konserviert hatte, die hier vor meiner Zeit an ihrem Bandscheibenvorfall gearbeitet hatten. […] Ich weiß nicht, wie ich an diesen Punkt gekommen war. Ich hatte doch immer alles richtiggemacht.«
Toxische Pommes. Ein schönes Ausländerkind. 2024

»Grau, teurer Freund ist alle Theorie, 
Und grün des Lebens goldner Baum«
Johann Wolfgang von Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808

»Braun wie die Blätter, schwarz wie der Gewinn. Goldener Oktober –  goldenes Geschäft. Der wettbewerbsfähige Strom aus dem Garten Eden, der Zeitgewinn der kommenden Nacht und die klimaneutrale  Grünvergrauung lassen alte Eicheln fallen und neue Ideen sprießen. Im bunten Herbst der Innovationen explodiert das Kapital, denn mit jedem Farbwechsel blühen neue Märkte.«
Stefanie Fassmacher am 26. Oktober 2024 auf Grenzlandgrün  

»ein grauer Dauerton
liegt über uns, dem Grün,
den Dingen: eine Haut,
unter der wir uns verlaufen.

Licht verschwindet,
wenn nur noch die Zeit
mit uns unterwegs ist«
Jürgen Nendza: „...sagen die Luftwurzeln“


Samstag, 12. Oktober 2024

Ideenverpuffung

Die Börse freute sich kürzlich über einen sonnigen Herbsttag, doch jetzt hat der Markt Bauchschmerzen. Wie können sie verschwinden und was hat Jürgen Klopp damit zu tun?

»Der Dax hat zwar die Marke von 19.000 Punkten überschritten, es fühlt sich aber an wie ein sonniger Herbsttag. Wir freuen uns über die Sonne, aber wissen, dass uns noch ein Winter bevorsteht.«
Prof. Dr. Karina Lergenmüller am 11.10.2024 bei ‚Inside Wirtschaft


»Nach jedem Börsenwinter kommt auch wieder ein Börsensommer.«

Manuel Koch am 11.10.2024 bei ‚Inside Wirtschaft'


»Heute hat der Markt Bauchschmerzen und braucht Ruhe. Gott sei Dank sorgen die unerschütterlichen Gesetze der Wirtschaft mit unsichtbarer Hand und Kloppscher Traditionsverbundenheit dafür, dass sich trotz alledem das ökonomische Hamsterrad in dynamischem Fortschritt weiterbewegt. Das schafft stabiles Wachstum, besonders in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.«
Stefanie Fassmacher am 12.10.2024 auf ‚Grenzlandgrün‘

»Die Meinungsmacht geht so: Kapitalismus ist die vernünftigste, verbreitetste, erfolgreichste Wirtschafts- und Lebensform, weil das ökonomische Denken und Handeln, das dem Kapitalismus zugrunde liegt und ausmacht, den natürlichen Bedürfnissen, Wünschen und Hoffnungen der Menschen entspricht. Dort, wo (neo-)kapitalistische Auswüchse entstehen, genügt es, sie zu bändigen und zu korrigieren; denn: Die „unsichtbare Hand“ des „freien Marktes“ reguliert und lenkt in vernünftige Bahnen. Aus einem schlechten und unbefriedigenden Kapitalismus kann nur ein besserer Kapitalismus werden!«
Jos Schnurer in seiner socialnet-Rezension vom 17.02.2017 zu: Meinhard Creydt: Wie der Kapitalismus unnötig werden kann

»Schädliche Ideen werden oft nur durch Mitteilung unschädlich gemacht. Mancher Gedanke und manches Gefühl, in der Hirnschale und der engen dunklen Brust eines Menschen sich entzündend, haben Zerstörung um sich her verbreitet und würden, hätten sie bei Tage und frei sich entladen dürfen, gefahrlos und lächerlich verpufft sein.«
Ludwig Börne (1786-1837): Fragmente und Aphorismen

»Am Ende ist Klopp das Opfer unserer Projektionen. […] Gefallene Idole säumen den Pfad der Öffentlichkeit. Da oben, wo wir sie hingehoben haben, hätten sie eh nicht atmen können.«
Micky Beisenherz: Der Name der Dose. Stern am 11. Oktober 2024


Samstag, 5. Oktober 2024

Viersener Wehmutsglut

Belgische Besatzung, Inflation, Instabilität und ein zaghafter Beginn der Goldenen Zwanziger…Der Niederrhein vor 100 Jahren war geprägt von einem komplexen Geflecht aus Unwägbarkeiten.  Am Samstag, dem 4. Oktober 1924 erschien in der Viersener Zeitung unter „Buntes Laub“ ein Text, der eine Wehmut erzeugende Pracht des herbstlichen Farbenspiels beschrieb und sie auf das Kommen und Gehen der Menschen übertrug...

»Der Herbst fällt in die Bäume ein wie eine Schar bunter Papageien. Das Laub verfärbt sich von Tag zu Tag mehr. Die Birnbäume in den Vorgärten und an den Straßen, die ins Land hineinführen, zeigen schon Farben von einer Glut, wie sie nur die letzte wehmütige Glut des Herbstes bringt.  Mitten zwischen grünen stehen die grellen Träume herbstlicher Fantasien, hinter denen ein wolkentürmender Himmel aufsteigt.

An den Häusern und Mauern loht der wilde Wein. Er hängt wie feuriges Haar über weiße Schultern und funkelt, wenn ihn der Wind aufwühlt. Weshalb schenkt uns der Herbst diese grelle Buntheit? Weshalb zaubert er noch einmal einen falschen Frühling herauf? Die Sonne geistert nur aus dem geheimen Leben der Blattflächen Phantasien und Unwirklichkeit hervor. Die Bäume sind so wehrlos wie Kranke, die vor dem Tode noch einmal in letzter Hoffnung erglühen. Jeder weiß, dass es vorbei ist mit ihnen, aber keiner sagt es; nur sie selbst wissen es nicht. Sie leben kurze Zeit noch dahin, als wäre es ein Leben, hektisches Rot auf den Wangen, verräterisches Gold auf den Stirnen, Grün und Lila an den Schläfen, bis das große Erblassen kommt und sie regungslos liegen von dem Leben abgebrochen wie ein Blatt von einem Zweig.

Die Blätter wirbeln über die Steine der Straßen hin, werden von breiten Besen der Straßenreiniger auf einen Haufen gefegt und dann fortgefahren, poesielos und in verletzender Nüchternheit. Die ganze Herrlichkeit des Frühlings und Sommers, die Tag und Nacht rauschte und das Auge erquickte, hat sich in bunten, irren Fetzen gelöst und wird beiseite geräumt wie die schalen Reste eines Liebesmahls, das zu Ende gegangen ist.

Warum das, du schlagendes Herz? Warum gehen die Blätter? Warum bleiben sie nicht? Auch du wirst nicht bleiben, andere kommen nach dir, ein neuer Menschenfrühling, der dich verdrängt. Im nächsten Jahr werden zarte Blättchen da sitzen, wo jetzt Astleere graust, und alles ist vergessen. Nach einigen Jahrzehnten werden neue Menschen an deiner Stelle sein, und du bist vergessen.
Alle Freude ist Schmerz, aber aller Schmerz ist Blüte des Lebens.«
Viersener Zeitung,  Samstag, 4. Oktober 1924


Samstag, 28. September 2024

Fetzenschädeleien

»Wohin steuert Österreich? Kann der Volkskanzler verhindert werden? Oder is eh scho ois wuascht?«
Volkstheater: Drei Tage für Österreich

»Zwei Ex-Minister mit „null Kompetenz“, eine Packung „Germanen-Voodoo-Ökonomie“ und zahlreiche Zwischenrufe: Drei Tage vor der Nationalratswahl trafen die Spitzenkandidaten von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos im ORF aufeinander – Unfreundlichkeiten inkludiert [...]. Dezent irritierend wirkten die Outfitfarben der Moderatorinnen. Schnabel, aus der Zuseherperspektive links im Bild, trug einen blauen Hosenanzug, Wachter einen schwarzen.«
Hellin Jankowski: ORF-Elefantenrunde: „Ich muss die natürliche Ordnung wiederherstellen“ - Die Presse vom 26. September 2024

»Wie auch immer, der österreichische Herbst prunkt mit eigenem Farbenspiel. Dem leuchtenden Backenrot der Erstklässler·innen, dem Orange-Grün des letzten Freibad-Twinnis, dem Azur der klaren Herbsthimmel, und bald aktuell: Dem unscheinbaren Grau der Wahlurnen. Dem stillen Dunkelblau der Kugelschreiberkappen, mit denen wir die Wahlzettel ausfüllen, intim beschattet vom stumpfen Braun der Wahlkabinenwände. Sie gehören zum Farb-Inventar des österreichischen Herbstes. Ihre Aktualität endet mit den wachsenden Säulen der ersten Hochrechnung und den blassen (oder geröteten) Gesichtern der politischen Akteure. Der Herbst ist ein Maler, sagen die Dichter. Malerinnen und Dichterinnen schweigen.«
Andrea Maria Dusl. Commandantina. Farben des Herbstes. Das Buerau am 14. September 2024

Hände foitn, Goschn hoitn - »Der Satz war noch zu Anfang des letzten Jahrhunderts ein ständiger poetischer Begleiter deutscher Volksschüler und fand sich in Schulheften und auf Wandtafeln. Er sollte Disziplin und Ordnung vermitteln und lautete: Hände falten, Schnabel halten! Gerade sitzen, Ohren spitzen! Kopf nicht dreh’n, nach vorne seh’n!«
Andrea Maria Dusl – Comandantina – „Das Bureau“ vom 10. Januar 2011

»Herrschaftszeiten! Wir können ja nicht plötzlich sozial werden, nur um die Kummerln zu verhindern.«
Aus einem Cartoon von Carl Berger

»Ich kann nicht nachvollziehen, wie hier agiert wurde; fetzendeppert, muss man sagen, ich sage es, wie es ist.«
Beate Meinl-Reisinger am 7. September 2021

»Die Allzweckwaffe für alles heißt: Remigration. Wir erinnern uns, das ist jener Euphemismus für Vertreibung, der auch vor einer inländischen Staatsbürgerschaft nicht haltmacht. [...]  Rechtsradikal ist die neue Mitte. So weit alles normal. [...] So unverhohlen und offen ausgesprochen waren die Vorhaben der FPÖ noch nie. Man will es Orbán gleichtun und einen postdemokratischen Faschismus installieren. […] 

Wenn man bedenkt, dass die Nationalsozialisten nur 33,1 Prozent gebraucht haben, um das Parlament aufzulösen und eine Diktatur zu installieren, sollte man mit seinem Wahlzettel sorgsam umgehen. Es könnte das letzte Mal sein, dass man einen solchen sieht.«
David Schalko: Die neue Mitte ist rechtsradikal. FAZ am 24. September 2024


Samstag, 21. September 2024
Demutsnetzereien

»Der Mönchengladbacher Günter Netzer, „der Höhepunkt des deutschen Fußballs“, steht […] nicht nur für den Gipfelpunkt des deutschen Fußballs, die Europameisterschaftsspiele 1971/72, sondern auch für sozialdemokratische Aufbrüche, Willy wählen, kurz: die gute Bundesrepublik.«
Christoph Biermann: Fußball und Eigensinn. TAZ vom 10. Dezember 1993

»Günter Netzer hält damals und auch heute nichts von der These […] Mehr Demokratie wagen? Klingt für den Spielmacher, der sich als Chef auf dem Platz versteht […] eher bedrohlich. Netzer, das zeigt sich schon früh, geht es außerhalb des Spielfelds vor allem ums Geldverdienen und darum Spaß zu haben.«
Matthias Alexander: Der Regisseur des schönen Spiels. FAZ am 14. September 2024

»Auch Götter kommen in die Jahre, selbst ein Gott der Jugendlichkeit. So einer war Günter Theodor Netzer. Eine Art Dorian Gray des Fußballs. Wie das ewig anmutende Bildnis männlicher Ästhetik, gepaart mit der Eleganz des schönen Spiels. "Dä Jünter": Nicht nur in seiner niederrheinischen Heimat Mönchengladbach haben sie ihn wie eine Gottheit angebetet, wenn er auf dem Spielfeld regierte, mit kantigem Gesicht und langen, wehenden, blonden Haaren.«
In/Spot: Günter Netzer wird 80: Das große Glück aus der Tiefe des Raums. Yahoo-Nachrichten am 14. September 2024

»Er war der Mann, der wie vom Himmel gefallen schien, einer aus der Provinz, der von Anfang an wie ein Weltmann wirkte, wahnsinnig cooler Typ, gute lange Haare, gute Klamotten, gute Sportwagen, Ferrari und so. Er war das Gegenteil dessen, was man von einem deutschen Fußballer erwartete, kein braver Erfüllungsgehilfe seiner Trainer, kein still im Dienste der Mannschaft schuftender Siegertyp, sondern ein herrliches Großmaul, jedenfalls auf dem Platz als Spielmacher. […]

Aber über Günter Netzer reden, das heißt, ihn zu überhöhen, ihn womöglich über das gebotene Maß zu feiern, ihn zu etwas zu erklären, das er wohl nie war und laut eigenen Aussagen definitiv nicht sein wollte: Popstar, Rebell, Diva, Lebemann, blonder Engel, "langes Arschloch" (Hennes Weisweiler, bei seiner angeblichen Definition von Abseits: "Abseits ist, wenn das lange Arschloch wieder mal zu spät abgespielt hat"). […]

Netzer lieben wohl vor allem diejenigen, denen Gewinnen nicht alles ist, jedenfalls dann nicht, wenn es nicht mit Eleganz, Schauwert, Humor, genereller Interessantheit verbunden ist. Netzer war also wie fürs Feuilleton gemacht. In das hat ihn und damit den Fußball einst Karl Heinz Bohrer mit der Wendung von "der Tiefe des Raums" geholt, aus der Netzer plötzlich vorgestoßen sei […] dass eben nichts normal ist, wenn Günter Netzer damit zu tun hat, darin besteht doch gerade der Zauber, der von ihm ausgeht.

Netzer, der bekennend Lauffaule, hatte jedenfalls in seiner prägenden Zeit als Spieler von Borussia Mönchengladbach immer jemanden, der für ihn lief, den tapferen Herbert Wimmer. Der konnte dem Publikum neben Netzer erscheinen wie Sancho Panza neben Don Quijote, so wie es später manchmal auch Delling neben Netzer tat. Nur dass Netzer nie ein Ritter von trauriger Gestalt war wie Don Quijote, sondern stets glänzender; und dass Netzer nie jemandem etwas vorzumachen schien, vor allem nicht sich selbst. Es schien, als könne sich Netzer die Verehrung seiner Person zwar schon erklären, er war halt echt spitze in so vielen Dingen; und wirklich unliebsam war ihm die Verehrung augenscheinlich auch nicht. Doch Netzer wirkte stets so, als halte er das Gewese um ihn im Großen und Ganzen doch für etwas unreifen Quatsch.«
Dirk Peitz: Der Leichtfüßigste. ZEIT-ONLINE am 14. September 2024

»Ich bin immer Realist gewesen […] Da ich immer ehrlich zu mir selbst war, weiß ich sehr wohl, dass ich kein einfacher Typ bin. […] Ich traf Entscheidungen intuitiv aus dem Bauchgefühl heraus die sich dann erst im Nachhinein als richtig herausgestellt haben. Ich war auch eher schüchtern und zurückhaltend. […] In der Schulzeit habe ich die Straßenseite gewechselt, wenn mir Mädchen entgegengekommen sind. Unterhalten konnte ich mich mit ihnen schon gar nicht. […] Ich war immer lernfähig, stets auf der Suche nach einer Weiterentwicklung. Begünstigend dabei war, von den richtigen Leuten umgeben zu sein, die mir etwas beibringen konnten und somit vielseitige Interessen bei mir weckten.

[…] Rechtfertigung für irgendetwas, was ich angestellt habe, kenne ich nicht. Ich stand immer zu meinen Fehlern, bekannte mich stets als Erster dazu und versuchte sie abzustellen. […]  Sehr früh erkannte ich, Prioritäten zu setzen, was das Wichtigste ist, um anderes zu erreichen. […] Solch ein Ego ist ein gesundes Ego. Wobei ich zum Leistenkönnen auch Sachen zähle, die nicht unbedingt notwendig sind zum Leben, die teilweise auch unvernünftig erschienen. Aber so war ich nun einmal, diese gehörige Portion Unvernunft ist Teil meines Charakters. […] Entscheidend ist doch das Wissen um sich selbst, und ich wusste genau, wer und wie ich bin und was ich wollte. Wobei mir das Streben nach Unabhängigkeit immer am wichtigsten war. Ich habe mich schon unabhängig verhalten als ich noch gar nicht unabhängig war. […] Natürlich habe ich nicht alles zu 100 Prozent richtig gemacht. Das wollte ich auch nie. Für mich selbst war alles okay, so wie es lief. Deshalb ganz klar: Ich bereue nichts! […]

Ich bin privilegiert und sehr, sehr dankbar dafür, wie ich bis heute mein selbstbestimmtes Leben geführt habe und bin demütig  - ein Wort, das es im Deutschen Sprachgebrauch kaum noch gibt - ,  dass ich in meinem Alter noch so mit ihnen sprechen kann. […] Ich habe keine Angst vor dem Sterben.«
Günter Netzer in der Welt am Sonntag vom 15. September 2024

»Ich wollte immer Günter Netzer sein.«
Lothar Matthäus in der ZEIT vom 19. September 2024


Samstag, 7. September 2024

Fensterredereien

»Gewiss, die Weltverhältnisse sind so komplex, dass alles Begreifen den Ereignissen stets hinterherhechelt. Unsicher sein, sich keiner Seite zugehörig fühlen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern kann, sofern nicht von moralischer Indifferenz genährt, ein erster Schritt zur Stärke sein. Von jenen, die sich gefährlich sicher sind, gibt es bereits zu viele.«
Charlotte Wiedemann: Schmuddelbegriff Frieden. TAZ vom 5. September 2024

»Mit dem Blick, mit dem Vokabular des Ethnologen gab man in Romanen, Studien, Reportagen und Podcasts zu verstehen, dass DIE nicht sind wie WIR -  und nun wundert man sich,  dass DIE keine Lust mehr haben von diesem WIR voller Verachtung belehrt und gemaßregelt zu werden. Diese bequeme Verteilung und Verteidigung der Rollen ist beendet.«
Ulf Poschardt: Sie kapieren es einfach nicht. DIE WELT vom 5. September 2024

»Wer die These vom Untergang der Demokratie vertritt, versteht unter „Demokratie“ das, was ihm selbst politisch gut und richtig erscheint.«
Juli Zeh im 'Handelsblatt' vom 6. - 8. September 2024

»Es klafft eine Leerstelle in der Diskussion, und das ist die Humanität. Nach diesem Wahlsonntag wäre es höchste Zeit, diese Leerstelle endlich zu füllen - und die Debatte insgesamt abzukühlen.«
Michael Bauchmüller: Bitte alle abkühlen. SZ vom 2. September 2024

»es muss doch Fenster geben
nicht übersehbar
die sagen: töte mich nicht!
noch bevor die Faust
ausholt zum Schlag hinüber
ins Unbekannte«
Franz Dodel: Nicht bei Trost. A never ending Haiku


Samstag, 31. August 2024

Grenzlandringkämpfe

»Der Grenzlandring, der einst im Zeichen des Krieges geschaffen wurde, möge künftig im Zeichen des Friedens als eine echte Sportanlage zu einem Symbol herzlicher Freundschaft werden für alle, die sich um den Ring in der Freude an männlichem Wagemut und sportlicher Leistung versammeln.«
NRW-Ministerpräsident Karl Arnold am 19. September 1948 zum Eröffnungsrennen auf dem Grenzlandring

»Wir wurden überflutet von einer Menschenmasse. Züge im Bahnhof spuckten Tausende von Menschen aus. Ich hatte Telefondienst im Rathaus. Von dort konnte ich die Menschenmassen überblicken. Der Kassenverkauf brach total zusammen. Nicht nur von außen, auch von innen drängten Tausende an den Ring.«
Siegfried Ruffert (Organisationsgremium für das Grenzlandring-Eröffnungsrennen (zitiert in der Rheinischen Post vom 4. August 2012)

»Der Grenzlandring war einst die schnellste Rennstrecke Europas, laut damaligen Medien sogar der Welt! Er wurde auch als "Der Avus des Westens" betitelt und sorgte immer wieder für Geschwindigkeits-Rekorde. [...]Vor über 65 Jahren haben tapfere Männer auf ihren Motorrädern und in ihren Rennwagen der Marken BMW, NSU, Veritas und co. auf abenteuerliche und kräftezerrende Weise im Rausche der Geschwindigkeit um den Sieg gekämpft. Auf dem Oval um Wegberg haben sie alles gegeben und auch alles riskiert, angefeuert von tausenden von Zuschauern, die dieses motorsportliche Highlight nicht verpassen wollten...«
Oldtimertreff Grenzlandring Wegberg. 2012

»Wenn der junge Mensch sein Heldenbild nicht von den muskelbeladenen nackten oder in SA-Uniform steckenden Kriegergestalten der Plakate und Denkmünzen dieser Tage abnimmt, dann gewiß von den Rennfahrern; gemeinsam ist beiden
Heldenverkörperungen der starre Blick, in dem sich vorwärtsgerichtete harte Entschlossenheit und Eroberungswille ausdrücken.«
Victor Klemperer :Die Sprache des Dritten Reiches. 2020

»In einem anschließenden Interview nannte Meyer das Grenzlandring-Rennen wo er 216 km/std. herausgefahren hat,  das eindrucksvollste „weil es das schnellste und gefährlichste war.“ Er illustrierte dies mit den Worten:  „Wenn einmal die Maschine mit über 200 km/std. dahinbraust, dann zieht sie nicht mehr ruhig ihre Bahn, sondern sie wackelt ganz erheblich und es wird immer schwerer sie zu bändigen.“«
Morgen-Zeitung vom 7. Dezember 1949

»In jenen Tagen begann für die Dörfer Wegberg und Beeck ein neues Jahrhundert. (…) Wie Adenau in der Eifel einst ein unbekanntes Städtchen war, so lagen Wegberg und Beeck bis in diesen Sommer hinein still und abseits im niederrheinischen Grenzland. Das ist nun anders geworden. Die beiden Dörfer sind in eine Entwicklung geraten, wie sie mancher Marktflecken durchgemacht hat, der heute Industriestadt ist, manches Kreisstädtchen, das zum Verkehrsknotenpunkt wurde.«
Allgemeine Zeitung Mainz vom 24. September 1948

»Der Unglückstag war der 31.8.1952. Nach 10 bis 14 Tagen erfuhr ich durch den Pastor vom Tode meines Sohnes, da ich selbst auch schwer verletzt war und noch im Krankenhaus lag. […] Ich habe sowohl für den Tod meines Sohnes als auch für mich persönlich keine Entschädigung erhalten. Der Unglücksfahrer als auch der Veranstalter waren unterversichert.«
Aus dem Interview mit einem Verletzten, der am Grenzlandring seinen Sohn verlor. Markus Halfkann: Rennstrecke Grenzlandring, entstanden innerhalb einer Projektwoche der Edith-Stein-Realschule in Wegberg

»Das war so furchtbar. Der Mann war so schwer verletzt und zwei Zimmer weiter lag sein Sohn, der war auch schwer verletzt. Jetzt starb der Sohn und der Vater durfte das nicht wissen, weil er so schwer verletzt war. […] Jetzt ging die Mutter zur Beerdigung des Sohnes, zog dann ein helles Kleid an und ging wieder ins Krankenhaus zu dem schwer verletzten Vater.«
Peter Loeffel (am 31. August 1952 Polizeibeamter vor Ort)

»Wegberg, 31. August. Vor 200 000 Zuschauern wickelten sich auf dem Grenzlandring, der schnellsten Rennstrecke der Welt, spannende Kämpfe ab. Aber es gab auch mehrere schwere Unfälle […] Dabei gab es mehrere Tote und Schwerverletzte. Das Krankenhaus in Wegberg, in das die Verletzten gebracht wurden, glich noch zwei Stunden nach dem schrecklichen Unglück einem Feldlazarett.«
Honnefer Volkszeitung am 1. September 1952

»Die Zahl der Todesopfer des schweren Unglücks beim Rennen auf dem Grenzlandring hat sich, wie die Polizei am Montag mitteilte, auf 13 erhöht. Vier Personen erlagen in der Nacht zum Montag ihren Verletzungen, die sie erlitten hatten, als der Rennwagen der Berliner Fahrers Niedermayr in einer Kurve in die dichte Zuschauermenge raste. Wie der Chefarzt des Krankenhauses Wegberg, Stoffel mitteilte, liegen nicht 27, sondern 42 Verletzte, darunter auch mehrere Kinder in den Krankenhäusern. […] Nach Mitteilungen der Polizei geschah das Unglück etwa 140 Meter von der nächsten Telephonstelle entfernt. Der Posten habe von dort aus nicht übersehen können,  was geschehen sei und so seien einige Minuten vergangen,  bis er eine vorläufige Meldung habe weitergeben können. Der Polizeibeamte, der die Aufsichtsmaßnahmen leitete,  konnte erst nach langen Umwegen zu der Unglücksstelle gelangen.»
Honnefer Volkszeitung am 2. September 1952

»…diese  9 km Straße, im Dritten Reich zur Unterstützung der Kriegsvorbereitung  und  -führung gebaut,  dann  in  den Wiederaufbaujahren Spielzeug  einiger (Lebe‐)Männer –  Unternehmer, Politiker, Techniker, Spione  –, gleichzeitig Hoffnungsträger für eine ganze Region, manifestieren auch über ihre sportgeschichtliche Bedeutung hinaus deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert.«
Marco Kieser: Der Grenzlandring. 2005

Quelle: Eddi Laumanns aka RX-Guru - Eigenes Werk, CC BY 3.0, 

Mehr zum Grenzlandring auf Wikipedia


Samstag, 17. August 2024

Fortbewegungsruhe

»Das Auto ermöglicht individuelle Mobilität und steht wie kein zweites Verkehrsmittel für Freiheit.«
Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto. Beschluss des Präsidiums der FDP vom 12. August 2024

»Der Preis der erhöhten Mobilität ist zunehmender Stress.«
Sabine Zimmermann: Neuer Pendler-Rekord, FAZ am 31. Juli 2017

»Aus der Möglichkeit der Fortbewegung wurde der Zwang zur Fortbewegung, die Freiheit der Ortsveränderung erbrachte die Nötigung, sich gefälligst fortzubewegen, wenn man überhaupt noch einem Beruf nachgehen oder Waren erwerben oder sonst irgendwas tun will, was vor gar nicht langer Zeit mit einem Minimum an Fortbewegung bewerkstelligt wurde. […]

Dass Immanuel Kant sich sein ganzes Leben nicht aus Königsberg fortbewegt hat, macht ihn in den Augen unserer schnellen Zeitgenossen bedauernswert bis lächerlich, weil sie nicht mitzählen, dass im 18. Jahrhundert in Königsberg zu bleiben weitaus weniger peinigend war als die Zumutung im 20. Jahrhundert an Düsseldorf gefesselt zu sein. So wird der Flüchtlingstreck, der am Wochenende und im Urlaub das Weite sucht, umgedeutet zur fröhlichen Karawane derer, die ihr Leben zu genießen verstehen.«

Jürgen Dahl: Einrede gegen die Mobilität. 1974

»Und gib auch mir meine Ruhe wieder, dann gewiss, dann gewiss werde ich glücklich sein.«
Susette Gontard an Friedrich Hölderlin. Dezember 1798

»Die Realität verlangt nach einer Verkehrspolitik, die funktionale Lösungen statt ideologischer Beschränkungen bietet. [...] Unsere liberale Verkehrspolitik zielt darauf ab, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen, ohne sie durch unnötige Einschränkungen zu belasten.«
Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto. Beschluss des Präsidiums der FDP vom 12. August 2024


Samstag, 10. August 2024

Datenelysion


»unterwegs nach Utopia
wo keiner lebend hingelangt
wo nur Sehnsucht
überwintert«

Günter Kunert: Unterwegs nach Utopia I. 1977

»Die heutigen Grünen unterscheiden sich von den frühen Grünen dadurch, dass das Moment der Spontaneität und Erfahrungsoffenheit, das in der Beschwörung des utopischen Bewusstseins zumindest dem Anspruch nach mitschwang, bei ihnen vollständig erloschen ist. An die Stelle der Umwelt, der früher die Sorge galt, sind kybernetische Denkmodelle der Klimapolitik getreten…«
Magnus Klaue: Grüner Bürgermythos. DIE WELT, 8. August 2024

»Endlich befreien uns die warmzarten Datenströme mit ihren heilsam funkelnden Algorithmen von den kalten Utopieumarmungen unserer vergangenen Sehnsuchtswinter. Das verschafft wirksamen Purpose für nachhaltige Flowkommunikation.«
Johannes Kynep am 10. August 2024 auf Grenzlandgrün

»Erst ein Ausflug ins Jenseits
dann eine Rückkehr ins Nichts.«

Günter Kunert. Abtötungsverfahren. 1980


Samstag, 3. August 2024

Wahrheitshummler


»Ein Leben lang waren sie unverwüstliche Weltverbesserer gewesen, deren wichtigste Maxime lautete: Wissen ist Macht. Die Wahrheit muss ans Licht, die Fakten auf den Tisch! Noch Jahrzehnte nach der aktiven rebellischen Phase kleben sie mit Herz und Verstand an den Nachrichten aus aller Welt wie Zuschauer eines gigantischen Auffahrunfalls, von dem man den Blick nicht abwenden kann.«

Reinhard Mohr: Die neuen Leiden der alten Linken. Welt am Sonntag vom 28. Juli 2024

»so gern
hätt‘ ich nen Mantel
aus Hummelfell
Auf links gedreht
wär’s ein Panzer«

Anna Maria Reiter: Kellergedanke. 2014

»Lass doch bitte dem weisen und warmen Universum meine kostbaren Haare, achte mit Herz und Verstand auf die Nektar- und Pollenwerte, panzere Dich in einem Meer aus Sonnenblumen und vermeide die warenförmigen Botenstoffe der Angst. Ich fliege jetzt ohne Deinen absurden Auffahrunfall weiter, bringe die Wahrheit ans Licht und hummele das, was Du und Deine Mitmenschen zum Weltverbessern brauchen.«
Fensterbankhummel auf Grenzlandgrün am 3. August 2024


Samstag, 27. Juli 2024

Resedenrausch


»Sagt! was füllet das Zimmer mit Wohlgerüchen? Reseda,
Farblos, ohne Gestalt, stilles, bescheidenes Kraut.«
Johann Wolfgang Goethe. Vier Jahreszeiten. 1827

»Wenn sich in den Liebesgeschichten der deutschen Erzähler die Liebespaare in der Fliederlaube ihre Geständnisse der Liebe und Zusicherungen der Treue machten, so geschah das bei den Engländern meist im Zeichen der Resede und ihres berauschenden Duftes, von dem in einer sehr bekannten Geschichte dieser Art behauptet wird, daß er die jungen Leute beiderlei Geschlechts geradezu liebestrunken mache.«
D. Steinbach: „Stell auf den Tisch die duftenden Reseden!“  - Wittener Volkszeitung vom 12. Dezember 1908

»Sieh‘ der bescheidenen Reseda Blüte
Ein Bild der Menschenfreundlichkeit,
Die ohne Prunk, voll innerer Herzensgüte,
Den Wohlgeruch der tät’gen Liebe streut.«
Eduard Mörike: Einer verehrten Frau zum Geburtstage. 1838

»Die Reseden dort am Fenster
Und den bläulich hellen Himmel.
Manchmal trägt der Wind ans Fenster
Einer Glocke zag Gebimmel«
Georg Trakl: Die junge Magd. 1913

»Mir träumte einst von wildem Liebesglühen,
Von hübschen Locken, Myrthen und Resede,
Von süßen Lippen und von bittrer Rede,
Von düstrer Lieder düstern Melodien.«
Heinrich Heine: Traumbilder 1827

»Eine Frau ist etwas mit Geruch.
Unsägliches! Stirb hin! Resede.
Darin ist Süden, Hirt und Meer.
An jedem Abhang lehnt ein Glück.«
Gottfried Benn: D-Zug. 1912

»Weitere Untersuchungen haben ergeben, daß die meisten Blütenteile einer Reseda, die nichts sind als modifizierte Staubfäden, leicht verschwinden oder die Form wechseln; die Reseda verliert dann ihren Duft. [...] Man sieht, die bescheidene Reseda ist eine sehr geheimnisvolle Dame von interessanter Vergangenheit, geheimnisvoller Herkunft und recht zweifelhaften Charaktereigenschaften.«
D. Steinbach: „Stell auf den Tisch die duftenden Reseden!“ Wittener Volkszeitung vom 12. Dezember 1908

»Wir wollen jetzt Frieden machen,
Ihr lieben Blümelein.
Wir wollen schwatzen und lachen,
Und wollen uns wieder freun.

Du weißes Maienglöckchen,
Du Rose mit rotem Gesicht,
Du Nelke mit bunten Fleckchen,
Du blaues Vergißmeinnicht!

Kommt her, ihr Blumen, jede
Soll mir willkommen sein -
Nur mit der schlimmen Resede
Laß ich mich nicht mehr ein.«
Heinrich Heine: Wir wollen jetzt Frieden machen (1826)

»Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die letzten roten Astern trag herbei
Und lass uns wieder von der Liebe reden
Wie einst im Mai.«
Hermann von Gilm zu Rosenegg: Allerseelen. 1844 


Samstag, 20. Juli 2024

Aufrüstungsspuk

»Es ist still. Es ist totenstill. In Deutschland werden Tomahawk-Marschflugkörper, SM 6 Raketen, Hyperschallraketen aufgestellt – und es bleibt still im Land. Kein lauter Protest, kein Aufschrei, keine Demonstrationen. Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem diese Waffen aufgestellt werden. Sie richten sich gegen Russland. […] Es ist so still in Deutschland, dass man den Nachhall der alten Proteste von damals noch hört, als es eine Friedensbewegung gab. […]

Verteidigungsminister Boris Pistorius argumentiert mit einer „Fähigkeitslücke“, um die militärische Aufrüstung zu begründen. An einer Fähigkeitslücke leidet aber auch die Friedensbewegung. Sie hat die Kraft der protestierenden Hoffnung verloren.«
Heribert Prantl: Nur Frieden. Süddeutsche Zeitung vom 19. Juli 2024

»Die Friedensbewegung war sehr wichtig für unsere Seite. Sie wurde für unsere Konzeption eingespannt, Losungen wurden vorgegeben. Wir haben viele Gruppen, wie „Ärzte gegen den Atomtod“ usw. unterstützt, mit Geld und Material. Die Bewegung ‚Generäle für den Frieden‘ nach dem Nato-Doppelbeschluss war auch von mir. Wir haben unseren Agenten Professor Gerhard Kade, der Friedensforscher, bei uns IM „Super“, zu pensionierten Generälen in ganz Westeuropa geschickt, um sie für diese Bewegung zu gewinnen. Von uns bezahlt, sind dann die ganzen Publikationen gegen den Nato-Doppelbeschluss veröffentlicht worden.«
Günther Bohnsack (ehem. Beamter der Hauptverwaltung Aufklärung im DDR-Ministerium für Staatssicherheit am 22. April 2000 im Deutschlandfunk

»Das ist doch alles sinnlos geworden. Im Kalten Krieg war die Spionage eine Hauptschiene für die Konfrontation zwischen Ost und West. Aber der ist jetzt vorbei. Also muss auch der ganze Spionage-Spuk endlich aufhören«
Herbert Brehmer (ehem. Beamter der Hauptverwaltung Aufklärung im DDR-Ministerium für Staatssicherheit) im Spiegel 29/1991 

»Zugleich verbreitet sich aber auch die Erkenntnis der außerordentlichen Komplexität des Abrüstungsproblems wenigstens in dem Sinn, daß sich heute viele Vorkämpfer des Abrüstungsgedankens darüber klar geworden sind, daß eine schnelle und umfassende Abrüstung vielerorts schwere wirtschaftliche Störungen, Massenarbeitslosigkeit und erhöhte soziale Spannungen hervorrufen würde und daß gerade aus diesem Umstand die Rüstungsinteressenten neue und eindrucksvolle Argumente ableiten, um die Rüstungen auch dort immer weiter voranzutreiben, wo sie militärisch völlig sinnlos geworden sind.«
Walter Gyssling: Rüstungswirtschaft und Spätkapitalismus. Gewerkschaftliche Monatshefte 05/1968


Samstag, 13. Juli 2024

Erstarkungssymbiosen anreizen

»Deutschland benötigt eine neue Großerzählung über ein 'Wir', mit dem sich möglichst viele, wenn nicht alle, in der Bevölkerung identifizieren können.«
Mouhanad Khorchide: Einheit in der Vielfalt. Rheinische Post vom 13. Juli 2024 

»Wir leben in einer Zeit, wo jedem das einzelne Posting wichtiger ist als eine gemeinsame Stunde zu verbringen. Gemeinsam Dinge zu bewirken, ist extrem wichtig. […] Ich hab noch nie einen Menschen getroffen, der Dinge alleine macht und dann automatisch schneller, besser weiter kommt, wie wenn er es mit irgendwem zusammen macht. […] Wenn ich meinem Nachbarn helfe, die Hecke zu schneiden, dann ist er schneller fertig, als wenn er das alleine macht. […]

Ich finde, dass wir es gemeinschaftlich geschafft haben, ein Land, das stetig und ständig in Tristesse verfällt und in Schwarzmalerei, ein bisschen aufzuwecken und ihm schöne Momente zu bescheren. […] Und ich hoffe, dass die Symbiose zwischen Fußballfans und der Fußballmannschaft auch in der normalen Gesellschaft stattfindet, dass wir als gemeinschaftliche Gesellschaft auch mehr bewegen können, als wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht und individueller sein will als der Nachbar. […] Man kann immer Probleme sehen, man kann aber auch einfach von Lösungen sprechen. Ob die dann klappen oder nicht, das weiß man nicht, das muss man probieren. Mut haben, Dinge zu probieren. Wenn’s dann nicht klappt, auch den Mut haben, was Neues zu machen. [...]

Mit Fans ist man stärker als ohne. Mit seinem Nachbarn ist man stärker als ohne […] Wir können alle anpacken, dass es nicht so traurig sei, wie es gerade wirkt und nicht alles gerade schwarzgemalt wird, sondern wieder zurück zur Gemeinsamkeit, ein bisschen weg von dieser unfassbaren Individualität hin zu einer geschlossenen Gruppe, die einfach guttut und etwas bringt.«
Julian Nagelsmann auf der DFB-Pressekonferenz am 6. Juli 2024 in Herzogenaurach

»Die Worte des Bundestrainers lassen ein ganzes Land erstarken. Was Julian Nagelsmann nach dem dramatischen Aus der Nationalmannschaft in seiner nur wenige Minuten dauernden Rede erreicht hat, schaffte Scholz nicht einmal in seiner dreijährigen Regierungszeit.«
Thomas Sigmund: Ach, könnte Olaf doch den Julian geben. Handelsblatt vom 9. Juli 2024

»Eine vollkommen überflüssige Wortmeldung. [...] Gratis-Consulting aus der Entertainment-Industrie«
Jörg Wimalasena: Die Selbstüberschätzung der Hollywood-Stars. DIE WELT vom 12. Juli 2024

»Im permanenten Krisenbewältigungswettbewerb kann wertgeschätztes Humankapital mit selbstoptimierten und flexiblen Erstarkungssymbiosen nachhaltige Mindseterträge generieren und motivierende Synergien heben. Der Unterschied zwischen Bundestrainer und Bundeskanzler besteht darin, dass die Moralbewirtschaftungsmärkte die monatliche Erstarkungssymbiose beim einen mit rund 400.000 Euro anreizen und beim anderen mit nur 30.000 Euro ausbremsen.«
Stefanie Fassmacher am 12. Juli 2024 auf Grenzlandgrün

»Alles ist im Fluss. Das Einzige, wo man aufpassen sollte ist, dass man jetzt nicht die Zukunftsgläubigkeit gegen die Verklärung der Vergangenheit tauscht.«
Tomas Kafka: Ich verlasse ein nervöses Deutschland. DIE WELT vom 12. Juli 2024 

Samstag, 6. Juli 2024

Bewusstseinsentfleischung


»KI wird höchstwahrscheinlich zum Ende der Welt führen, aber in der Zwischenzeit wird es großartige Unternehmen geben.«
Sam Altman (Open AI) in Jacobin 17, S. 43

»Wenn der Kapitalismus in seiner jetzigen Form Dir Sorgen macht, solltest Du Dir noch mehr Sorgen um eine Welt machen, in der große Teile der Wirtschaft von KI-Systemen betrieben werden, die explizit auf Gewinnmaximierung trainiert sind.«
Markus Anderljung (Gov AI) in Jacobin 17, S. 47

»Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.«
Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie. 1859

»Das Licht der Menschheit und unser Verstand, unsere Intelligenz – unser Bewusstsein, wenn man so will – kann auch ohne Fleischmenschen weiterleben.«
Richard Sutton (ehem. Google Deep Mind) in Jacobin 17, S. 42

»Alkoholfreies Bier, koffeinfreier Kaffee und jetzt das fleischfreie Bewusstsein. Die innovative Bewusstseinsentfleischung befreit unser gesellschaftliches Sein von Entfremdungserfahrungen und führt zu glücksbringender Langzeitentspannung.«
Stefanie Fassmacher am 5. Juli 2024 auf Grenzlandgrün

Samstag, 29. Juni 2024

Lichtblickbildung

»Wir brauchen eine große Bandbreite an Möglichkeiten, um eine Anschlussfähigkeit der Gesellschaft und Mitmachbereitschaft zu erzeugen […] Früher haben wir von einer stabilen Gegenwart aus eine genau umrissene Zukunft geplant. Jetzt erleben wir viele Gegenwarten im Parallelbetrieb mit gleich prioritären Herausforderungen in einer individualisierten Gesellschaft, und für die Zukunft haben wir ein großes Ziel, das aber so viele Handlungsfelder besitzt, wie es Herausforderungen im Jetzt gibt.«
Cornelia Zuschke in der Rheinischen Post vom 28. Juni 2024

»Die Zeiten sind eben wirklich ernst und deshalb auch viel zu ernst für Scheinlösungen und Slogans. […] Und deshalb ist auch klar, worum es geht […] Wir müssen dafür sorgen, dass Zuversicht wieder wächst […] und wir müssen Zuversicht dort, wo sie fehlt, neu begründen […] Wir brauchen eine politische Perspektive, wie man in unsicheren Zeiten eine gute Zukunft gewinnen kann. Das muss das sein, worum es uns hier geht […] Ja, es geht um Antworten in der Sache. […] Und natürlich geht es eben auch um mehr Wachstum […] Das alles sind große Vorhaben; aber um die geht es. Und es geht darum, dass wir alles tun, damit wir da erfolgreich sind. Denn das ist die Basis der notwendigen Zuversicht.«
Aus der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 26. Juni 2024

»Das war eine mystische Erscheinung. Und eine sehr schöne. So etwas habe ich noch nie erlebt.«
Giovanni Solinas in der Rheinischen Post – Grenzland-Kurier vom 28. Juni 2024

»Denn dies war ein Lichtblick in einer für mich besonders finsteren Zeit. «
Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben. 1999

»Für eine umfassende Einschätzung der Mitmachbereitschaftskapazität des Formats „Lichtblickbildung“ ist es noch zu früh. Zu prüfen wäre eine zusätzliche Unterstützung durch Anreize aus dem traditions- und wachstumsorientierten Heilsteinmarkt. Unsere Kundinnen und Kunden nutzen in ihren parallel betriebenen Gegenwarten die bandbreiten Granate zur individualisierten klimaneutralen Produktion von Hoffnung, Halt und Zuversicht.«
Stefanie Fassmacher am 28. Juni 2024 auf Grenzlandgrün


Samstag, 22. Juni 2024

Amerner Wirks

»Nachhaltigkeitsforscherin rät: „Seien Sie ein Wirk!“«
Hamburger Abendblatt am 3. September 2022

»Maja Göpel im Stadttheater:„Jeder kann ein Wirk sein"«
Der Patriot -Lippstädter Zeitung am 17. Juni 2024

»Hans-Peter Dürr, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts in München, hat diesen Begriff eingeführt. […] Zum Wesen des Wirks gehört es, einfach zu wirken, obwohl (oder vielleicht gerade weil?) wir nicht wissen wie. Es ist die schlichte Tatsache, dass etwas passiert.«
Dr. Johannes Gasser: Über die Wirks und die Flow-Kommunikation

»Das Gefühl der eigenen Wirkmächtigkeit ist grandios. […] Je älter und rationaler wir werden, desto mehr ist das Erleben der eigenen Kompetenz an unser Umfeld gebunden. Wir wollen, dass unser Tun von anderen Menschen gewürdigt, gelobt, vielleicht sogar bewundert wird. Wir sehnen uns nach Anerkennung.«
Combine: Nur mal kurz die Welt retten

»Die Kommunikation verarmt und findet häufig nur noch per Handy oder Computer statt. Das direkte Miteinander wird immer seltener. […] Früher traf man sich abends an gemütlichen Stellen (zum Beispiel auf der Treppe vor der Haustür) oder in der „Pinte“, um miteinander zu klängern […] Gaststätten, Orte wo man einfach mal zu einem Glas Bier hingehen konnte, gibt es in Amern nicht mehr obwohl es einige davon gab…«
Walter Aretz: „Sei ein Mensch!“. Heimatbote Schwalmtal 2024

»Unser Projekt „Schwalmtal-Bank – für ein zukunftsfähiges Schwalmtal“ wird mit bis zu 48.000 Euro gefördert. […] Am Dorfweiher in Amern sollen zwei Bänke installiert werden.«
Gemeinde Schwalmtal: Schwalmtal-Bänke (19. Dezember 2023)

»Anschaulich kannst du dir die Leistungen anhand eines Biers mit Schaumkrone vorstellen. Die Wirkleistung entspricht dem flüssigen Bier, also dem Anteil der tatsächlich getrunken werden kann. Die Blindleistung entspricht der Schaumkrone, also dem Teil, der oft recht gering gehalten werden soll. Insgesamt entspricht das gesamte Glas Bier mit Schaumkrone der Scheinleistung.«
Studyflix: Elektrotechnik: Scheinleistung, Blindleistung, Wirkleistung einfach erklärt

»Amerner Wirks brauchen Purpose für ihre Flowkommunikation. Sie könnten daher ihre virtuelle Blindleistung reduzieren und stattdessen bei einem Bier auf einer Schwalmtalbank ihre reale Scheinleistung steigern, um mehr Wirkleistung erbringen zu können. «
Johannes Kynep am 22. Juni 2024 auf Grenzlandgrün


Samstag, 15. Juni 2024

Fortschrittsannullierung



















»Das Gute steckt nicht allein im Ziel.«
Denis Mäder: Fortschritt. 2010

»Als Wissenschaftler beobachten wir mit großer Sorge die überstürzte und ungerechtfertigte Deregulierung von Umweltstandards und -vorschriften in der EU. […] Die Rücknahme der EU-Umweltgesetzgebung und -politik gefährdet die Zukunft der EU-Bürger.«
Offener Brief europäischer Wissenschaftsverbände vom 5. Juni 2024

»Sie nennen es “die Demokratie retten”. In Wahrheit geht es um die Verteidigung eines unpopulären und zunehmend gefährlichen politischen Kurses, der Europa und die EU in eine existentielle Krise treiben könnte…«
Eric Bonse: Watchlist EUropa vom 11. Juni 2024

»Die scheinbare Sackgasse der Linken und der anscheinend unaufhaltsame Aufstieg der Rechten verweisen auf die grundlegendere Realität des Europa nach 2015: die unangefochtene Macht des Kapitals, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik.«
Loren Balhorn: Wehrhafte Märkte. Jacobin Nr.16

»Der Fortschritt kann einfach so aufgehoben werden, von einem Tag zum nächsten; wenn man will und die Macht hat, dann geht das.«
Daniel Kehlmann: Dankesrede für die Verleihung des Ludwig-Börne-Preises am 9. Juni 2024 in der Frankfurter Paulskirche


Samstag, 8. Juni 2024

Sommerluftpumpen


»...Die Fenster waren geöffnet

Sommerluft bewegte sich
Stimmen Gelächter flog herein
Kinder lachten einander an...«
Silke Scheuermann: Der Tätowierte

»Uns alle einte die Überzeugung: Wir wollen Neues schaffen, den Traum eines geeinten Europa verwirklichen, eines Europas, das sich selbst behauptet und das den Kapitalismus auf einer größeren Ebene sozial, ökologisch und gerecht bändigt. Eines Europas, das dauerhaft Frieden durch Zusammenarbeit sichert. Ich weiß noch wie heute, mit welchen bewegten Gefühlen ich in der konstituierenden Sitzung des Europaparlamentes saß und mich umsah: Da war die Liberale Simone Veil aus Frankreich. Sie hatte Auschwitz, Bergen-Belsen überlebt und den Großteil ihrer Familie durch die Nazibarbarei verloren. Wir wählten sie zur Parlamentspräsidentin. Da war Altiero Spinelli, der Widerstandskämpfer gegen Mussolini. 1941 hatte er in der Verbannung mit anderen Freunden das „Manifest von Ventotene“ verfasst, das ein geeintes und freies Europa als föderale Union vorschlug. Da war Jaques Delors, der später Präsident der Europäischen Kommission wurde, und natürlich Willy Brandt. Wir spürten: Hier kommen Demokratie und Menschenrechte voran. Nach zwei Weltkriegen, nach Nazibarbarei und Faschismus arbeiteten wir zusammen. Und wir versprachen uns: Wir Europäer werden unsere Konflikte notfalls in Redeschlachten austragen – aber niemals mehr in Schützengräben.«
Heidemarie Wieczorek- Zeul: Erste Europawahl 1979: Der Zauber des Anfangs. Vorwärts vom 24. Mai 2019

»Blickt man über den alten Erdteil auf alle Völker der Menschheit hinweg, muß man zugeben, daß die Europäische Föderation die einzige Garantie bietet, die Beziehungen mit den asiatischen und amerikanischen Völkern auf eine Basis friedlicher Zusammenarbeit zu stellen, bis es soweit sein wird, daß die politische Einheit aller Völker der Welt erreicht werden kann. […] Die europäische Revolution muß sozialistisch sein, um unseren Bedürfnissen gerecht zu werden; sie muß sich für die Emanzipation der Arbeiterklasse und die Schaffung menschlicherer Lebensbedingungen einsetzen.«
Aus dem Manifest von Ventotene. 1941

»Die Gesellschaft könnte ein neues Sommermärchen gut gebrauchen. Der größte Erfolg wäre es, wenn wir alle eine entspannte und schöne Zeit hätten.«
Hendrik Wüst in der Rheinischen Post vom 7. Juni 2024

»Und plötzlich vibriert die Luft«
Thomas Dupke: Die Eifel bebt bei “Rock am Ring”. Rheinische Post vom 8. Juni 2024


Samstag, 1. Juni 2024

Unhaltbarkeitsgeschosse


»Borussia Dortmund setzt im Rahmen seiner Partnerschaftsprogramme neben sportlichen und wirtschaftlichen Perspektiven bewusst auch auf gesellschaftliche, soziale und ökologische Entwicklungspotenziale. Unter anderem engagiert sich der Verein im Rahmen bereits bestehender Partnerschaften für die Förderung regenerativer Energien, digitale Teilhabe oder Vielfalt und Gleichberechtigung. [...]
Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der Geschäftsführung von Borussia Dortmund: „Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. Mit dieser neuen Normalität sollten wir uns auseinandersetzen. Wir freuen uns auf die Partnerschaft mit Rheinmetall und öffnen uns als Borussia Dortmund ganz bewusst für einen Diskurs.“  [...]Armin Papperger, Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall AG: „Mit dem BVB und Rheinmetall haben sich zwei Partner gefunden, die mit ihren Ambitionen, ihrer Haltung und ihrer Herkunft gut zueinander passen…«

Borussia Dortmund am 29. Mai 2024 auf bvb.de

»Sportvereine aus #NRW aufgepasst: Wenn ihr kleine bis große Aktionen für #Nachhaltigkeit umsetzt, solltet ihr euch für das WestDerby Zukunft bewerben! Die Auszeichnung für nachhaltige Sportvereine wird von @renn.west an Vereine jeder Größe und Sportart aus der West-Region verliehen.«
Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 am 28. Mai 2024 auf Facebook

»Was zuletzt, zumindest auf deklaratorischer Ebene, auch als kategorischer Imperativ bezeichnet wurde -  Klimaschutz, Menschenrechte, Demokratie, Artenreichtum, planetare Grenzen, ein gutes Leben für alle -,  wird nun offen in Frage gestellt, weil es vorherrschende Freiheitsverständnisse bedroht, den erreichten Wohlstand gefährdet und im internationalen Wettbewerb handfeste Nachteile bringt,  während die versprochenen Vorteile bestenfalls langfristig sind, eher fernen Ländern und fremden Menschen zugutekommen und ohnehin keineswegs sicher sind. […] Gerade in den wohlhabenden Konsumgesellschaften des Globalen Nordens fällt die Unhaltbarkeit des einen, der gesellschaftlichen Ordnung der Nicht-Nachhaltigkeit, mit einer Krise des anderen, des Projekts der sozialökologischen Transformation, zusammen.«
Ingolfur Blühdorn: Unhaltbarkeit. Auf dem Weg in eine andere Moderne. 2024, S. 17


»Wer sich darüber wundert, dass auch Sylt-Schnösel rechtsradikal sein können, demonstriert nichts als seine eigene Schnöseligkeit. Nazi-Allüren waren im modernen Deutschland nie ein Unterschichtsphänomen. Im Gegenteil: Die für sich beanspruchte (kulturelle) Überlegenheit (auf kulturell unterlegene Art) zu feiern, ist in elitären Kreisen geradezu identitätsstiftend.«
Cem-Odos Güler in der TAZ vom 28. Mai 2024

»Denn diese Attitüde hilft hauptsächlich den guten Demokraten, sich ihrer Rechtschaffenheit zu versichern und ihr Festhalten an unseren Werten, unserer Freiheit und unserer Lebensweise zu legitimieren, von denen längst jeder weiß, dass sie sozial exklusiv und ökologisch zerstörerisch sind. […]
Die Fähigkeit, mit der entgrenzten Moderne zurechtzukommen, hängt […] in hohem Maße vom persönlichen Zugriff auf soziale und kulturelle Ressourcen ab.   […]
Wo diese nicht verfügbar sind, steigt das Bedürfnis nach Schutzräumen kollektiver Identität. Doch das Angebot an solchen Räumen schwindet. Wie sehr die emanzipatorische Errungenschaft, das eigene Selbst ganz eigenverantwortlich finden und verwirklichen zu müssen, längst auch in materiell gesicherten Gesellschaftsschichten zum Überforderungssyndrom geworden ist, zeigt sich in den Themenkonjunkturen von „Burn-out“ und „Detox“.
Der Konsum ist heute die Arena, wo Identitätsbildung wesentlich stattfindet. Aber diese Identität ist per definitionem exklusiv. Und an den Grenzen des Wachstums ist die Freiheit und Selbstverwirklichung der einen direkter denn je gekoppelt an die Knebelung und Ausgrenzung der anderen. […] Radikalisierter Individualismus und die Berufung auf das Volk stehen nicht in einem Verhältnis von entweder/oder, sondern von sowohl/als auch. «

Ingolfur Blühdorn/Felix Butzlaff: Wo Linke nicht irren dürfen. TAZ 10. April 2017

»… ist denn wirklich so viel „Hass“ in dieser Gesellschaft? Ohnmacht, Zweifel, vielleicht sogar Verzweiflung im Angesicht systemischer Krisen scheinen mir doch eine weit angemessenere Beschreibung zu sein, in Bezug auf Krisen, die längst als katastrophisch wahrgenommen werden. So stehen sich im Wesentlichen zwei Ohnmächte gegenüber: Eine politische Klasse, die auf ihre Antwortlosigkeit auf die tiefgreifenden Umbrüche mit Systemerhaltung antwortet und die dieses System mit sich selbst gleichsetzt, und eine Wählerschaft, die diesen Umbrüchen ohnmächtig ausgesetzt ist. Wenn denn „Hass“ entsteht in dieser Gesellschaft, dann entsteht er aus dieser Passivierung, aus dem Gefühl der Ohnmacht im Angesicht eines alternativlosen Systems. Jetzt rächt es sich, dass […] unsere Konsum- und Medienwelt genau auf diese Passivierung hin ausgelegt ist.«
Robert Zion am 26 .Mai 2024 auf facebook

»Der Mainstream hat sich stark nach rechts entwickelt, und damit hat sich auch unsere Vorstellung von dem, was rechtsextrem ist, verschoben.«
Cas Mudde in der TAZ vom 30. Mai 2024

»Sein Geschoss aus der 16. Minute fliegt wie am Faden gezogen […] und schlägt unhaltbar rechts oben ein.«
Denis Zakaria versenkt den Ball unhaltbar im Tor – sport.ch am 11. Februar 2024


Samstag, 18. Mai 2024

Langzeitkurtaxe


»Der Wald ist der Bauch
den der Park beim Einatmen einzieht«

Sebastian Unger: Vor dem Wald kann man sich nur in den Park retten

»Der Wald entwickelt sich zum Dauerpatienten. […] Wir müssen unserem wertvollen Ökosystem also eine Langzeit-Kur verschreiben. Wir haben daher alleine dieses Jahr 250 Millionen Euro für Waldförderung eingeplant, um den Wald gegen die Klimakrise zu wappnen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den Wald zu erhalten für uns, unsere Kinder und unsere Enkel.«
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am 13. Mai 2024 zur Waldzustandserhebung  2023

»Innerhalb des Lebenszyklus eines Baumes von 120 bis 150 Jahren werden sich die Lebensbedingungen grundlegend verändern.«
Andreas Bolte (Thünen-Institut für Waldökosysteme) am 18. Mai 2024 in der Wochentaz

»Die Sauerstoff-Langzeit-Kur beinhaltet 10 Sitzungen mit 2 Stunden. Es ist auch denkbar, an möglichst 2 aufeinanderfolgenden Tagen für 2-mal eine Stunde, zu inhalieren. [...] Auch bei dieser Kur werden unmittelbar vor der Inhalation Vitamine zur Unterstützung der Sauerstoffaufnahme gereicht.«
Pro Venuto: Sauerstofftherapie

»quasi mördergesunde Waldvitamine«
Stadtmagazin "In München" 09/2019

»Die Langzeitkurtaxe für die Sauerstoff-Langzeit-Kur in Höhe von 250 Millionen Euro ist eine innovative Investition mit geringem Risiko und kurzfristig hoher Rendite. Die Inhalation mördergesunder Waldvitamine per Parkbauchatmung sorgt dank ihrer schnellen Nachladefähigkeit für ein sicheres silvestrisches Highspeed-Netzwerk, das den Wald fördert und dem Dauerpatienten für 2024 eine glaubwürdige und robuste Luftverteidigung ermöglicht.«
Stefanie Fassmacher am 18. Mai 2024 auf Grenzlandgrün

»Inhalier nur fest, daßd a guate Farb kriagst«
Karl Valentin: Der Firmling. 1963


Samstag, 11. Mai 2024 

Kindheit entsumpfen


»Noch drei Tage vor dem Vernichtungs-Massaker der Hamas am 7. Oktober kamen Tausende Frauen von 'Women Wage Peace' und 'Women of the Sun' am Toleranzdenkmal in Jerusalem zusammen. Mitglieder beider Gruppen reisten zum Toten Meer und deckten einen Tisch, die Frauen stellten Stühle auf, als Symbol für die Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine politische Lösung: 'Wir, palästinensische und israelische Mütter, sind entschlossen, den Teufelskreis des Blutvergießens zu stoppen', heißt es in der Präambel ihrer Kampagne. [...] Die positiven Realitäten von heute, etwa die Gleichstellung der Frau oder Kinder- und Minderheitenrechte waren die oft bekämpften und verspotteten Visionen und Utopien von einst. Unsere heutigen Visionen und Forderungen nach Frieden und Versöhnung müssen die Realität von morgen werden, auf dass es noch eine lebenswerte Zukunft geben kann.«
Günter Wallraff am 3. Mai 2024 in seiner Laudatio für "Women of the sun" und "Women Wage Peace"

»Es reicht! Wir müssen jeden Stein umdrehen, um eine politische Lösung zu erreichen. Das ist unsere Verpflichtung für die Zukunft unserer Kinder. Das ist unsere Verpflichtung gegenüber den israelischen und palästinensischen Kindern. Sie verdienen eine Zukunft in Sicherheit und Freiheit und nicht eine Zukunft mit Tod, Krieg und Zerstörung. [...] Wir wissen, dass diese Worte imaginär, naiv und unrealistisch klingen, aber das ist die Wahrheit, und wir müssen sie anerkennen. Jede Mutter, ob Jüdin oder Araberin, bringt ihre Kinder zur Welt, um sie wachsen und gedeihen zu sehen und nicht um sie zu begraben.«
Women Wage Peace - Erklärung  am 15. Oktober 2023

»Jenseits
des Flusses,
jenseits
der Dinge
die sichtbar sind
bricht unsere Sprache
aus dem Sumpf der Kindheit,
der Körper hortet
Wörter
und Angst«

Israel Bar Kohav: Sprache, aus dem Hebräischen von Markus Lemke. 2005

Samstag, 4. Mai 2024

Zornheimer Brotzeitzünder


»Die Zeit ist der wichtigste Faktor, dass bei einem richtig gut gebackenen Brot die natürlichen Stoffe wie Milchsäurebakterien, Hefepilze sich entfalten können und Aromastoffe bilden. […] Jedes Jahr ist das Getreide anders. Dieses Jahr hat es mehr Amylase. Die Stärke ist abgebaut, der Bäcker braucht mehr Sauerteig.«
ehrenamtlicher Bäckermeister Alois Knussmann aus Zornheim in „Planet Wissen“ vom 31. Mai 2023

»Ich bin einem Bäcker begegnet,
in einer Konditorei.
Ich glaube, es hatte geregnet,
ich ging an dem Bäcker vorbei.
Es war im April gegen sieben,
am Dienstag in Zornheim-Nord.
Ich habe es niedergeschrieben.
Dann zog ich von Zornheim fort.«

Ror Wolf: Erfreuliche Neuigkeiten (1983)

»Als ich die Lunte des Lichts zündete
ist mir der Engel explodiert«
Yannis Stiggas: Setze niemals den Frühling in Klammern (2010)


Samstag, 27. April 2024

Gerechtigkeitsmarktführerin


»Der 22. April 2024 war ein schwarzer Tag für den deutschen Rechtsstaat. Die Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker bat um ihre Entlassung. Der Abschied der Oberstaatsanwältin nährt erneut die Zweifel am politischen Willen zur Aufklärung dieses größten deutschen Steuerskandals.«

Volker Votsmeier: Brorhilkers Abgang – Die Zermürbungstaktik der Täter geht auf. Handelsblatt vom 23. April 2024

»Brorhilkers Ermittlungen führten zu den ersten Urteilen im größten Steuerskandal der bundesdeutschen Geschichte – und brachten sogar Olaf Scholz in Erklärungsnot. Die eigens für den Cum-Ex-Steuerskandal eingerichtete Hauptabteilung von Oberstaatsanwältin Brorhilker ermittelte in rund 120 Verfahren gegen mehr als 1.700 Beschuldigte. Banker, Berater und Aktienhändler ließen sich Steuern erstatten, die nie jemand gezahlt hatte. Es geht um einen Schaden in Höhe von schätzungsweise 12 Milliarden Euro.«
Carlo Mariani: Rätseln um überraschenden Abgang. TAZ vom 23. April 2024

»Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. […] In einer idealen Welt hätten wir uns die Steuergelder längst zurückgeholt und könnten damit haushalten, könnten damit nicht nur Kindergärten, vielleicht auch Behörden ausstatten. Das ist aber nicht so. […] Man kommt quasi als Steuerhinterzieher, besonders wenn man’s im großen Stil betreibt, deutlich besser weg als Sozialhilfebetrüger in Deutschland und das ist wieder Ausdruck dieses Spruchs ‚Die Kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen.‘ Das ist einfach ungerecht.«
Cum-Ex Chefermittlerin Anne Brorhilker spricht über ihre Kündigung. WDR 22.04.2024

»Paris, 31. Mai. Der aufmerksame Beobachter hiesiger Zustände kann sich unmöglich eines unangenehmen Gefühls entschlagen, wenn er hört und sieht, wie trotz der strengsten Gegenmaßregeln die Opposition täglich mehr und mehr zunimmt. […] In fast allen größeren Städten der westlichen Departements wird in den frühen Stunden des Sonntags ein sog. Gerechtigkeitsmarkt gehalten.«
Kemptner Zeitung 1852

»CumEx lässt sich nicht allein und nicht allein aus Köln bekämpfen. Deshalb arbeitet Anne Brorhilker mit uns in Zukunft nicht am Einzelfall, sondern an der Wurzel des Problems. […] Der Wechsel ist deshalb kein trauriger Tag für den Rechtsstaat – sondern eine Kampfansage an diejenigen, die ihm schaden wollen. «
Finanzwende e.V. am 27. April 2024


Samstag, 20. April 2024

KInnovationNRW


»NRW werde das Silicon Valley Europas werden, sagt Wüst gleich bei mehreren Gelegenheiten. In Deutschland würde er mit solchen Superlativen wohl in erster Linie belustigtes bis ungläubiges Kopfschütteln hervorrufen. Doch hier im Valley, wo groß zu denken einfach dazugehört, kommen solche Visionen an. 

Und tatsächlich kann Wüst dank des Microsoft-Investments in Höhe von 3,2 Milliarden Euro in drei Hochleistungsrechenzentren im Rheinischen Revier mit Fug und Recht selbstbewusst auftreten […] Man werde ein Zentrum für KI und Supercomputing werden, schwärmt Wüst. „Sie sind herzlich eingeladen, in gleichem Umfang zu investieren“, sagt er zu Kent Walker, Google-Präsident für Internationale Angelegenheiten. „Wir haben genügend Platz und sind aufgeschlossen.“«
Maximilian Plück: Wüst träumt vom eigenen Silicon Valley. Rheinische Post vom 20. April 2024

»KInnovationNRW kombiniert “KI” für Künstliche Intelligenz, “Innovation” für die fortschrittlichen Entwicklungen und “NRW” für Nordrhein-Westfalen. Dieses Wort könnte die dynamische Verbindung von technologischem Fortschritt und dem Bundesland NRW darstellen, wo KI neue Möglichkeiten und Innovationen schafft.«
KI erklärt ihre Worterfindung

1. »Als Hendrik Wüst in NRW die KI und Quantencomputer traf, wurde aus dem digitalen Stau ein ‘Quantensprung’ in die Zukunft!«

2.. »Wenn KI in NRW einen Quantencomputer trifft, ist das kein Datenfluss, sondern eine ‘Datenflut’!«

3. »Hendrik Wüst und der Quantencomputer: Zusammen sorgen sie für ‘Wüstenschritte’ in der digitalen Landschaft von NRW.«

4.. »KI in NRW ist wie ein guter Senf: Ohne sie wäre die digitale Wirtschaft nur halb so ‘scharf’!«

5. »Quantencomputer in NRW könnten so schnell sein, dass selbst der ‘Datenverkehr’ auf der Überholspur ins Stocken gerät.«

6. »Mit KI wird in NRW nicht mehr programmiert, sondern ‘progra-magiert’ – es ist einfach zauberhaft!«
KI schlägt Wortspiele zur KInnovationNRW vor

»In NRW, wo der Rhein so fließt,
Hendrik Wüst mit KI genießt.
Microsoft, der große Riese,
bringt die Zukunft, die man ließe.

Künstliche Intelligenz, so klug und weise,
macht in Düsseldorf nun ihre Kreise.
Hendrik lacht und sagt: "Wie fein!
Die KI wird unser Helferlein."

Windows öffnet sich geschwind,
während Server Wolken sind.
Clippy fragt: "Brauchst du Rat?"
Hendrik nickt und findet das matt.

In der Landesregierung, oh so smart,
KI jetzt Teil von jedem Part.
Ob Verkehr oder Wirtschaftsboom,
KI bringt uns zum Staunen, oh wie dumm.

Microsoft, mit Code so bunt,
macht mit KI die Runde rund.
Hendrik Wüst, der Ministerpräsident,
findet, dass man sich nun besser kennt.

Dank KI, so herrlich und so nett,
NRW nun auf der Überholspur fett.
Mit einem Lächeln, frei von Sorgen,
freuen wir uns auf ein digitales Morgen.«

KI verfasst ein Gedicht zur KInnovation NRW


Samstag, 13. April 2024

Mobilitätsmoratorium


»Ich hab den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit gesagt, denn diese Sektorbetrachtung führt dazu, dass wir 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sofort einsparen müssen […] und die 22 Millionen Einsparung erreicht man nicht mit einem Tempolimit oder mit sonstigen Maßnahmen, sondern so große Mengen kann man ad hoc nur mit dem Verzicht auf das Auto und den LKW einsparen.[…] Es gibt erste Urteile, die dazu verpflichten. […] Ich kenne keinen Vorschlag, mit dem man das erreichen kann, außer mit Fahrverboten. Und ich habe mal ausrechnen lassen, ob ein Tag in der Woche ausreicht, und dem ist nicht so. Es müssten zwei Tage pro Woche sein und genau das kommt auf die Menschen zu.«
Volker Wissing am 12. April 2024 im Deutschlandfunk

»Das von Volker Wissing vorgeschlagene Mobilitätsmoratorium schafft Raum und Zeit zum Innehalten und Luft holen.«
Johannes Kynep am 13. April 2024 auf Grenzlandgrün

»Kinder spielen auf der Fahrbahn, Menschen sind unterwegs auf Pferdewagen oder auf Fahrrädern - und das mitten auf der Autobahn: Am 25. November 1973 ruhte der Autoverkehr in Deutschland. Als Reaktion auf die stark gestiegenen Preise für Treibstoff und Heizöl  hatte die Bundesregierung mit dem Energiesicherungsgesetz an vier Sonntagen ein Fahrverbot verhängt. An den anderen Tagen galt ein vorübergehendes Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen. […]  In der Folge erlebte die Debatte über die knapper werdenden Rohstoffreserven, die 1972 mit dem Bericht des Club of Rome über die "Grenzen des Wachstums" eingeleitet worden war, eine Renaissance. Der Club of Rome, dem Ökonomen, Industrielle und Wissenschaftler angehören, kam damals zu dem Schluss, dass die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht seien.«
Bundeszentrale für Poltische Bildung am 25. November 2013: Vor 40 Jahren: Erster autofreier Sonntag in Deutschland

»Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach ergab, dass die meisten Befragten den autofreien Sonntag mit ausgedehnten Spaziergängen zugebracht und in positiver Erinnerung hatten. In einigen Gemeinden Deutschlands entwickelte sich aus diesen Erfahrungen eine Tradition der Fahrzeugfreiheit: Einmal pro Jahr werden bestimmte Straßen autofrei gehalten. Solch eine Traditionalisierung zeugt vom Eingang der autofreien Sonntage in das kommunikative Gedächtnis der Deutschen.«
Ökologische Erinnerungsorte: Judith Heidl: Die autofreien Sonntage – online seit 2011

»Eine Gesellschaft in Bewegung kann allerdings nirgendwohin mehr aufbrechen, denn sie ist immer schon unterwegs. […] Die schöne Spannung zwischen Stillstand und Bewegung, zwischen Innehalten und Weitergehen, zwischen Verweilen und Aufbrechen, zwischen Muße und Aktivität geht in einer Zeit verloren, in der Unterwegssein zur einzig legitimen Daseinsform erklärt wird. Um in solch einer Gesellschaft überhaupt wieder aufbrechen zu können, müssten erst die Orte und Zeiten der Ruhe, der Muße, der Kontemplation wieder geschaffen und aufgesucht werden können, die jene Erfahrung erlauben, die jeden Aufbruch grundiert: Jetzt, nach einer Phase des Verweilens, ist es Zeit zu gehen. Erst dann könnten wir auch wieder fragen: Und wohin soll es gehen? […]

Die Fortsetzung noch der unsinnigsten Reform wird ja gerne damit begründet, dass man doch nicht zu alten Zuständen zurückkehren könne. Das ist ungefähr so plausibel wie die Empfehlung an einen Autofahrer, der sich in eine Sackgasse manövriert hat, doch unbedingt weiterzufahren, notfalls auch gegen eine Wand, denn er werde doch nicht umdrehen und dorthin zurückkehren wollen, wo er schon einmal gewesen war.«

Konrad Paul Liessmann: Nichtstun als Chance – Wir müssen Innehalten neu lernen. 13.September 2015


Samstag, 6. April 2024

Einköpffutter


»Fakt ist, dass wir im Trend deutlich langsamer wachsen als fast alle vergleichbaren Länder.«
BDI-Präsident Siegfried Russwurm in der SZ vom 3. April 2024

»Wir müssen schneller werden, wir müssen besser werden.«
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger im Handelsblatt vom 4. Januar 2023

»Vielleicht stimmt was nicht am Geschäftsmodell der deutschen Hersteller.«
ADAC-Präsident Christian Reinicke in der SZ vom 3. April 2024

»Weit schneller rennt man ohne Kopf
Verliert ihn gern und dann
Greift man die Frucht und staunt, daß man
Ohne Kopf nichts fressen kann.
Wollt ihr Sterne langen
Müßt ihr rennen sehr
Denn ihr tragt an Stangen
Schnell sie vor euch her.«

Bert Brecht: Das Beschwerdelied (ca. 1916)

»Nachdem wir unsere Grundhalterungen ausgeköpft haben, gelten unsere Annahmen und Glaubenssätze als selbstgefällig, überholt, naiv, idealistisch und illusionär. Um besser zu werden, müssen wir den Anbau von frischem Einköpffutter beschleunigen.«
Johannes Kynep am 6. April 2024 auf Grenzlandgrün

 


Samstag, 30. März 2024

13 pro Bezirksfeldhase


»Der Feldhase, weithin geschätzt für seine wissenschaftlich noch nicht ergründete Fähigkeit, an Ostern Eier zu bringen, hoppelt wieder häufiger über hiesige Äcker und Wiesen […] für das vergangene Frühjahr kommen sie deutschlandweit auf im Schnitt 19 Hasen je Quadratkilometer. Im Jahr zuvor waren es noch 16 gewesen.«
Jakob Krembzow: „Ein Gewinner des Klimawandels“. FAZ am 26. März 2024

»Es ist wissenschaftlich belegt, dass wir für die Artenvielfalt eine positive Trendwende erreichen, wenn wir nur sieben Prozent der genutzten Ackerfläche als unproduktive Fläche der Natur überlassen.“ Konkret besteht die „Magische 7“ aus Blühstreifen und Brachen. Das gefällt nicht nur dem Feldhasen: „Er ist als Schirmart für einen Lebensraum zu sehen; wenn es ihm gut geht, können sich wie unter einem Schirm auch andere Wildtiere und -pflanzen entfalten.«
Prof. Dr. Klaus Hackländer (Deutsche Wildtierstiftung am 30. März 2021)

»Bundesagrarminister Cem Özdemir setzt sich gegen Umweltministerin Steffi Lemke durch: Die Stilllegungspflicht von 4 Prozent der Ackerfläche entfällt ohne zusätzliche Kürzung der Basisprämie.«
agrarheute am 29. Februar 2024

»Der Feldhase, das Fruchtbarkeitssymbol der Osterzeit, verliert eine Riesenchance auf bessere Zeiten.«
Andreas Kinser (Deutsche Wildtierstiftung) in der FAZ vom 26. März 2024

»Im Gegenteil: vor zwei Jahren verteilte jeder der 768 Schwalmtaler Bezirksfeldhasen ca. 131 Ostereier. Um in Zeiten des vermeintlichen Fachkräfte- und Flächenmangels eine österliche Notversorgung der Bevölkerung zu garantieren, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, im Jahr 2024 nicht mehr als ein Ei pro Woche zu verzehren. Damit sinkt die durchschnittliche Ostereiquote in Deutschland auf 13 pro Bezirksfeldhase.  Auch den mittlerweile 912 durch Schwalmtal hoppelnden Bezirksfeldhasen steht nach der Flächenstilllegung und den DGE-Empfehlungen in diesem Jahr ein eher unproduktiver Ostersonntag bevor. Jeder Feldhase kann morgen nur noch 20 Ostereier verteilen. Die endgültige Aufhebung der Stilllegungspflicht, die Hasenpest und die damit verbundene Freisetzung der Bezirksfeldhasen sowie die Aufhebung von freiheitsbeschränkenden Verzehrempfehlungen bieten für das Jahr 2025 neue Wachstumschancen für die Ostereilogistik und das Gesundheitswesen.«
Stefanie Fassmacher  am 30. März 2024 auf Grenzlandgrün

»Und der Osterhase legt
(Bald sehr eitel, bald bewegt)
Rührei oder Spiegelei.
Schauerlich stöhnt er dabei.«

Joachim Ringelnatz. Kleine Lügen 1931


Samstag, 23. März 2024

Würderatorenwohlstand


»Die Würde eines menschlichen Lebens entsteht durch Arbeit. Und die Integration in die Gesellschaft entsteht durch Arbeit. Nicht arbeiten zu wollen, nicht arbeiten zu dürfen ist ein schlimmes Leiden. Menschen von der Arbeit fernzuhalten, ist ein schlimmes Leiden. […] Wir müssen wieder anerkennen, dass Arbeit  - und zwar unabhängig von der Vergütung - erst einmal etwas ist, was einen stolz machen kann.  […] Jedenfalls wird im Moment ein bisschen zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt beziehungsweise geworben. Das können wir uns in der Tat im Moment nicht leisten.«
Robert Habeck auf dem „Zukunftstag Mittelstand 2024“ am 13. März 2024

»Also ich arbeite jetzt neun Stunden, plus Pause, umziehen, hin und her reisen. Neben dem, dass es für mich privat scheiße ist: In neun Stunden kannst du einfach viel mehr CO2 verballern auf der Baustelle als in acht. Das summiert sich dann eben schon.«
Schweizer Bauarbeiter in Simon Schaupp: Stoffwechselpolitik. 2024

»Wenn die Menschen mehr Zeit haben, reduziert sich die Umweltintensität ihres Konsums. Wenn wir weniger produzieren und dafür mehr Freizeit haben, schaffen wir Wohlstand auf andere Weise.«
Francois-Xavier Devetter in „Ist weniger Arbeiten gut fürs Klima?“ Le Monde diplomatique vom 10. Juni 2021

»Die Arbeitsutopien, die ursprünglich darauf gerichtet waren, die technologische Entwicklung zu fördern, um die Menschen vom Druck materieller Not zu befreien und Arbeitszeitverkürzungen zu ermöglichen, haben sich weitgehend zersetzt. Der Erschöpfungszustand der Arbeitenden dieser Gesellschaft hat einen Grad erreicht, der die Identität der Subjekte antastet und die Gesellschaft mit einer depressiven Gefühlslage überzieht.«
Oskar Negt: Arbeit und menschliche Würde – Essay vom 6. April 2011

»Wir müssen die Engführung des Arbeitsbegriffs auf Erwerbsarbeit überwinden, wenn wir eine an der Würde des Menschen orientierte Arbeits- und Lebenswelt schaffen wollen. […] Wenn die Familie nur noch eine Funktion der Erwerbsarbeit ist, dann ist die Würde des Menschen ebenso gefährdet wie die Zukunft der Gesellschaft. «
Hans Joachim Meyer: Die Arbeit gehört zur Würde des Menschen. Evangelische Kirche im Rheinland 13. März 2002

»Mit dem Begriff der Menschenwürde […] ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen. Jeder besitzt sie, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Sie ist auch dem eigen, der aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht sinnhaft handeln kann. Selbst durch "unwürdiges" Verhalten geht sie nicht verloren. Sie kann keinem Menschen genommen werden.«
Bundesverfassungsgericht 1 BvR  698/89 vom 20. Oktober 1992

»Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv«
Buch von Wiglaf Droste


Samstag, 16. März 2024

Weltfriedhofsordnung


»Das Norwegische Nobelkomitee wünscht den Blick auf das zu lenken, was es als wichtigste Errungenschaft der EU sieht: den erfolgreichen Kampf für Frieden und Versöhnung und für Demokratie sowie die Menschenrechte; die stabilisierende Rolle der EU bei der Verwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege zu einem des Friedens.«
Aus der Begründung des Nobelkomitees für die Wahl der EU als Friedensnobelpreisträger 2012  

»Nicht der Frieden ist das Wichtigste. Ich sag’s ganz salopp: Frieden gibt es auf jedem Friedhof. Freiheit ist das Wichtigste für eine offene liberale Gesellschaft und erst wenn Freiheit da ist, dann kann es Frieden geben.«
Friedrich Merz am 8. März 2024 auf der Stuttgarter Regionalkonferenz zum CDU-Grundsatzprogramm

»Der Anspruch, mit westlichen Werten das Heil zu bringen, bestimmte die Aktionen und Interventionen unter anderem gegen Vietnam, Laos und Kambodscha, Indonesien, Britisch-Guayana, Chile, Brasilien, die Dominikanische Republik, Guatemala und Grenada, Serbien, Irak und Afghanistan. Dies geschah und geschieht ideologisch begründet im Namen von Freiheit und Demokratie gegen Unterdrückung und Autoritarismus ohne Rücksicht auf die Gefährdung des Friedens.«
Dieter Klein: Gemeinsame Sicherheit - trotz alledem. 2023

»Außerhalb Europas haben viele Länder einen anderen Blick auf diesen Krieg. Sie sagen, es ist vielleicht durch den Westen verantwortet,  sie reagieren mit Schadenfreude. Andere sagen, das ist das Ende der 500jährigen westlichen Dominanz der internationalen Ordnung. Damit muss man doch umgehen. Warum schadet es denn diesem Deutschen Bundestag auch mal diese Fragen zu stellen, wie wir diese Länder überzeugen können, uns in Europa stärker von dieser Kriegsfessel zu befreien?«
Rolf Mützenich am 14. März 2024 im Deutschen Bundestag

»Ich sag’s mal ganz salopp. Wenn es Frieden auf jedem Friedhof gibt, könnte der  Regulierungsmechanismus einer nachhaltigen Weltfriedhofsordnung globale Freiheitsgüter wie Gesundheit, Bildung, Pflege, Mobilität, Energie, Wasser, Boden, Luft fördern, um allen Menschen die Freiheit zu unabhängigen Entscheidungen zu ermöglichen.«
Johannes Kynep am 16. März 2024 auf Grenzlandgrün


Samstag, 9. März 2024

Cameliaden

»Das war ein Toben, war ein Wüten!
Ein jeder schien ein andres Tier.
Sie forderten des Mädchens Blüten
Mit schrecklichem Geschrei von mir. «
Johann Wolfgang Goethe: Der Müllerin Verrat. 1827

»Die Männer sind immer darauf versessen, das zu erfahren, was ihnen Schmerzen bereitet. […] Das Leben ist bezaubernd, man muss es nur durch die richtige Brille sehen.«
Alexandre Dumas. d.J.: Die Kameliendame. 1848

»Die vollständig gefüllten sehen aus, als kämen sie von einem anderen Stern. […] Bis in die 1990er Jahre haben sich Fehlinformationen über die Gehölze gehalten. […] Die Gehölze haben eine hohe Regenerationsfähigkeit. «
Zierpflanzengärtner Alexander Haas (Luisenpark Mannheim) in der ZEIT vom 3. März 2024

»Das Fräulein lächelte: ‚Immortellenkränze sind ganz außer Mode. Höchstens in Winterzeit... Und dann immer nur`...«
Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen. 1888

»Dabei trägt sie einen großen Ast in der Hand, eigentlich wie einen Baum, der dick mit roten Blüten besetzt ist, verzweigt und ausgebreitet.«
Sigmund Freud: Die Traumdeutung. 1900

» ‚Na, es ist Zeit, daß ich gehe!‘ sagte Wolkow. ‚Ich muß das Kamelienbukett für Mischa besorgen. Au revoir.‘ «
Iwan Alexandrowitsch Gontscharow. Oblomow. 1859

Montag, 4. März 2024

Schlagstöckeln und Bleistifteln

»Das Knalltütenkorps der Berliner Studiker pirschte mal wieder auf dem Kriegspfad. Die Polizei […] griff zum Beruhigungsmittel für den Fall missbrauchter Meinungsfreiheit: dem Knüppel.«
"Bild" vom 12. Dezember 1966

»Der CSU-Bundestagsabgeordnete Unertl nannte die demonstrierenden radikalen Studenten ‚Rotzlöffel‘. Den SDS-Ideologen Dutschke bezeichnete er als ‚ungewaschene, verlauste und verdreckte Kreatur.«
"Berliner Morgenpost" vom 29. Februar 1968

»Der Präsident der Republik hat dem Innenminister in Erinnerung gerufen, dass sich die Autorität der Sicherheitskräfte nicht mit Schlagstöcken misst, sondern anhand ihrer Fähigkeit, für öffentliche Sicherheit zu sorgen und gleichzeitig das Recht auf freie Meinungsäußerung zu garantieren. Schlagstöcke gegen Jugendliche einzusetzen, ist Zeichen eines Versagens.«
Staatspräsident Sergio Mattarella in seiner Note vom 24. Februar 2024

»Die Bleistifte haben auf die Schlagstöcke geantwortet.«
Alessandra Todde, sardische Regionalpräsidentin, nach ihrer Wahl am 26. Februar 2024

»Mit Bleistifteln lässt sich das Denken effektiver beruhigen als mit Schlagstöckeln. Innerhalb eines festgesetzten Meinungsspektrums können die Bleistifte dabei lebhafte Debatten entfachen, die am Ende in ein entspanntes Nichts führen. «
Stefanie Fassmacher am 4. März 2024 auf "Grenzlandgrün"


Samstag, 10. Februar 2024

Enthaltungsdynamik

»Außenministerin Baerbock hat die deutsche Enthaltung zur UN-Resolution zu Israel verteidigt. Es sei gelungen, andere Vor-Versionen zu verändern.«
zdfheute am 1. November 2023

»Die deutsche Enthaltung ist falsch und haltungslos, ich schäme mich dafür.«
FDP-Außenpolitiker Frank Müller-Rosentritt in der FAZ am 30. Oktober 2023

»Um eine bestmögliche Vertretung deutscher Interessen auf europäischer Ebene zu erreichen, wird die Bundesregierung ein geschlossenes Auftreten gegenüber den europäischen Partnern und Institutionen sicherstellen. Dazu werden sich die Koalitionspartner innerhalb der Bundesregierung eng abstimmen und zu regelmäßigen europapolitischen Koordinierungen zusammenfinden. Die Abstimmungsverantwortung wird durch die Bundesministerinnen und Bundesminister im Rahmen ihrer Fach- und Koordinierungszuständigkeiten und im engen Zusammenwirken mit dem Bundeskanzler wahrgenommen.«
Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit - Koalitionsvertrag 2021 bis 2025 vom 7. Dezember 2021

»Zu der geplanten Enthaltung der Bundesregierung bei einem weiteren EU-Verkehrsgesetz zu CO2-Flottengrenzwerten für schwere Nutzfahrzeuge wie Lkw und Busse am morgigen Mittwoch bei einem Treffen der EU-Staaten, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP/DVP-Landtagsfraktion, Dr. Christian Jung:
„Es ist sehr lobenswert, dass sich die Bundesregierung nach einem internen Nein der FDP und von Bundesverkehrsminister Volker Wissing nun enthalten wird und das ganze Gesetz auf der Kippe steht. Denn überambitionierte und ideologische Reglementierungen schaden zum Beispiel völlig unnötig dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, da die Emissionen nach den bisherigen Plänen nur am Auspuff gemessen werden sollten.“«

Pressemitteilung der baden-württembergischen FDP-Fraktion vom 6. Februar 2024

»Arbeitgeber begrüßen deutsche Enthaltung bei EU-Lieferkettengesetz«
ASKN am 1. Februar 2024

»Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall begrüßt die deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über die EU-Lieferkettenrichtlinie. Dank der FDP hält die Bundesregierung ihr gegebenes Wort«
Gesamtmetall am 1. Februar 2024

»Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. begrüßt die angekündigte Enthaltung Deutschlands zum Trilog-Ergebnis zur EU-Wertschöpfungskettenrichtlinie am heutigen Freitag.«
Die bayerische Wirtschaft am 9. Februar 2024

» „Trotz großzügiger Vorlaufzeiten für Unternehmen" sei keine Zustimmung möglich gewesen, sagte Paus. Deutschland gehöre mit einer Lohnlücke von 18% zwischen Frauen und Männern zu den Schlusslichtern in der EU, betonte die Grünen-Politikerin. Für das Inkrafttreten der Richtlinie ist die Enthaltung Deutschlands unschädlich. Auch Deutschland muss die neuen Regeln umsetzen, sobald das EU-Parlament grünes Licht gegeben hat. Die Zustimmung gilt als Formsache. «
Beck aktuell am 22. Dezember 2022

»kinderarbeit und umweltverschmutzung erschweren? nein danke, zuviel aufwand/bürokratie«
"Kannnichtsein" am 9. Februar 2024 im Zeit-Forum

»Enthaltung schafft Entfaltung. Die neue Enthaltungsdynamik löst uns von vielfachen Abhängigkeiten, Belastungen und Regulierungen, indem sie den unternehmerischen Freiraum und die nötige Flexibilität für nachhaltigkeitsbefreite und renditestarke Investitionen herstellt.«
Stefanie Fassmacher am 10. Februar 2024 auf Grenzlandgrün

»Groß ist Deutschland mit Sicherheit, und auch mächtig. Aber weiß es, was es mit dieser Macht in Europa will?«
Cees Nooteboom am 4. Oktober 2015 beim Wasserwerk-Gespräch zum Tag der Deutschen Einheit

»Deswegen ist jetzt der Bundeskanzler gefragt, Haltung zu zeigen: Olaf Scholz ist in der Verantwortung, die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in der EU zu schützen und im Rat für das EU-Lieferkettengesetz zu stimmen. Zusammen mit unseren 140 Mitgliedsorganisationen ist unsere Botschaft eindeutig: JA zum Lieferkettengesetz – weil Enthaltung keine Haltung ist!«
Initiative Lieferkettengesetz am 19. Januar 2024

Samstag, 3. Februar 2024

Agrarverzerrungen

»Kreislandwirt Paul-Christian Küskens, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Krefeld-Viersen, versuchte, den Bogen von den Protesten bis zur Regulierung der EU zu spannen. „Die Landwirte stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte Küskens. […] Besonders die spanische Landwirtschaft ist der Buhmann. Während in Deutschland für Erntehelfer ein Mindestlohn von 12,41 Euro zu zahlen sei, werde in Spanien nur zwischen 3,50 bis vier Euro die Stunde bezahlt. Wenn der Preis eines Salatkopfes zu 60 Prozent von den Personalkosten abhänge, könne man sich die Wettbewerbsverzerrung vorstellen.«
Heribert Brinkmann: Warum die Bauern die Nase voll haben. Grenzland-Kurier vom 30. Januar 2024

»Die iberischen Bauern sehen ihre Existenz auch durch eine Jahrhundertdürre bedroht. Wegen des sich verschärfenden Wassermangels traten in Katalonien drastische Einschränkungen für die Bauern in Kraft. Sie müssen jetzt bei der Beregnung ihrer Felder mit 20 Prozent der bisherigen Wassermenge auskommen. «
Bauern protestieren jetzt auch in Portugal und Spanien. Rheinische Post vom 3. Februar 2024

»Auf Arbeitsgeräten, die so viel kosten wie kleine Einfamilienhäuser, protestieren die Bauern gegen den Abbau von staatlicher Unterstützung und für den Erhalt der klimaschädlichen Dieselsubventionierung, während ihre Felder gerade unter Wasser stehen und sie wie kaum eine andere Branche unter den Folgen des Klimawandels leiden. […] Dabei wünschen sich manche von ihnen schon lange, dass ihre Interessenvertretung sich für ein Umsteuern stark macht, dass es mehr öffentliches Geld für die öffentlichen Leistungen gibt, die sie auf ihren Feldern erbringen könnten - vom Grundwasserschutz bis zum Erhalt der Artenvielfalt - und nicht für ein diffuses „Weiter so“ mit anhaltendem Höfesterben.«
Tanja Busse und Christiane Grefe: Die aufgestaute Wut: Landwirte in der Zerreißprobe. Blätter für deutsche und internationale Politik 2‘24


Montag, 29. Januar 2024

Ausgusshoffnung


»Randständige geraten nicht in den Ausgußstrudel.«
Rolf Friedrich Schuett: Reiche wurden doppelt so reich, Habenichtse auch: Sozial gerecht oder nur sozialgerecht? (2019)

»da sieht man keine Menschenmenge
auf dem Platz der Leibesenge;
nur Licht, das sich dem Abend neigt,
und ein paar Kinder und Kind Gebliebene,
die Zukunft als ein „Doch noch“ sehen,
durch ihr Bleiben fast Vertriebene;
vertrieben, weil sie Hoffnung säen
und weil sie, bei aller Liebe,
die Älteren nicht mehr verstehen,
die in Anbetracht allen ‚Das wird nichts‘
im ‚Weiter so‘ den Lichtblick sehen.«
aus: Simeon Buß: Kein Gespräch. 2020


Samstag, 20. Januar 2024

Zwischenzeitgrotesken


»Rund tausend Menschen haben sich in Nettetal an einer Demo für Demokratie beteiligt.«

Grenzland-Kurier am 20. Januar 2024

»In dem Moment, wo ich friedlich demonstriere, werde ich in Deutschland in die Ecke der Querdenker und rechten Szene gestellt.«
Daniel Päffgen im Grenzland-Kurier am 16. Januar 2024

»Ich zitiere Antonio Gramsci: „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.“ Dieser Satz bringt es auf den Punkt.«
Britta Pitsch (Die Linke) beim Viersener Neujahrsempfang am 12. Januar 2024

»Der viel zitierte Satz von Antonio Gramsci lautet gar nicht so. Ich zitiere, diesmal korrekt aus seinen „Quaderni del carcere“: „Die Krise besteht gerade darin, dass das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann: In diesem Interregnum treten die vielfältigsten morbiden Erscheinungen auf.“ „Fenomeni morbosi“ also. Keine Monster. Das klingt schon besser.«
Rede von Bundesrat Alain Berset beim Schweizerischen Institut für Auslandforschung an der Universität Zürich am 20.10.2021/

»Und was machen die demokratischen Parteien? Sie knubbeln sich in der vermeintlichen Mitte, verwässern ihre Positionen und machen sich so zum Erntehelfer der Rechtsextremisten. Die Partei der Arbeiter kloppt den Sozialstaat auseinander, die Konservativen postulieren, dass der Islam zu Deutschland gehört, die Grünen kaufen Frackinggas, die Liberalen wollen Grenzzäune errichten, einzig die Linke macht das, was sie immer schon gemacht hat: Sie spaltet sich auf.«
Britta Pitsch (Die Linke) beim Viersener Neujahrsempfang am 12. Januar 2024

»Diesen Blick für das Groteske – es braucht ihn heute ganz besonders. Bevor man die Verhältnisse verbessern kann, muss man sie erst einmal in ihrer ganzen frivolen Abgründigkeit zur Kenntnis nehmen.«
Rede von Bundesrat Alain Berset beim Schweizerischen Institut für Auslandforschung an der Universität Zürich am 20.10.2021


Samstag, 13. Januar 2024

Transformationssommer 2024


»Die Staatsanwaltschaft Köln eröffnet im März 2024 eine Anklage im Cum-Ex-Verfahren gegen die Chefs der Warburg-Bank Hamburg. Im Verlaufe der Beweisaufnahme verdichtet sich im Mai 2024 der Verdacht, dass bei der nicht erfolgten Rückforderung der etwa 44 Mio. € illegal durch die Warburg-Manager ergaunerten Cum-Ex-Gelder eine Einflussnahme des Hamburgischen Senats nicht ausgeschlossen werden kann. Regierender Bürgermeister der Freien und Hansestadt war damals Olaf Scholz. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich führt daraufhin Gespräche in seiner Fraktion und mit den Koalitionspartnern. Kurz nach der von den Populisten gewonnenen Europawahl im Juni tritt Olaf Scholz als Bundeskanzler zurück. Er übernimmt die Verantwortung für die Fehler seines Senats, um Schaden von der Bundesregierung zu wenden. […]


Als Nachfolger von Olaf Scholz wählt die Koalition Boris Pistorius zum Bundeskanzler. Verteidigungsministerin wird Eva Högl, beamtete Staatssekretärin die aus dem EU-Parlament zurückgekehrte Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrs- und Infrastrukturministerium und der Generalsekretär der FDP parl. Staatsminister und Sonderbeauftragter für den Nahen Osten im Grünen Außenministerium. Danach zieht Ruhe in der Koalition ein, Konflikte werden intern geklärt, Erfolge gemeinsam verkauft und Probleme intern gemeinsam beraten und gelöst. Und von da an lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage…? Nun, diese Koalition ist nicht Frodo Beutlin von Beutelsend und Boris Pistorius wäre nicht Gandalf, der Zauberer.«
Roland Appel: Science fiction kann beunruhigen…Beueler-Extradienst vom 8. Januar 2024

»Doch das stört Pistorius nicht. „Meine Aufgabe als Verteidigungsminister ist, alle denkbaren Modelle auf ihre Machbarkeit für Deutschland zu überprüfen, damit ich verschiedene Handlungsoptionen habe, die ich dann einer politischen Mehrheitsbildung zuführen kann und muss“, sagte Pistorius dem TV-Sender Welt.«
Jens Killmeier: „Jetzt klingt alles nach Truppenübungsplatz“: SPD fremdelt plötzlich mit Umfrage-Überflieger Pistorius. Kreiszeitung.de vom 20. Dezember 2023


Samstag, 6. Januar 2024 

Wahlarium


»Ob 2024, politisch betrachtet, ein gutes neues Jahr wird, ist alles andere als sicher.«
(Stefan Kornelius in der SZ vom 2. Januar 2024)

»2024 werden weltweit mehr Menschen wählen gehen als je zuvor in der Geschichte.« (TAZ vom 3. Januar 2024)

»Wie kann es, verdammt nochmal, sein, dass jenen im Westen, in Deutschland zumal, die in Politik, Wirtschaft, Bildung und Medien nach wie vor fast alle Schlüsselpositionen inne haben, ihre Hegemonie so durch die Finger rinnt?« (Bernd Ulrich in DIE ZEIT vom 4. Januar 2024)

»Abschottung nach außen und rechtsautoritäre Formierung nach innen bedingen und verstärken sich gegenseitig. Es geht niemals ‚nur‘ um Migration und die Rechte Schutzsuchender. Es geht darum, den Grundpfeiler einer autoritären Gesellschaftsordnung zu errichten.« (Clara Bünger in Luxemburg 2/2023)

»Der versprochene Wandel zum grünen Kapitalismus ist ausgebremst. Die Krisen werden zunehmend autoritär und imperialistisch beantwortet.« (Lia Becker in Luxemburg 2/2023)

»Überdies lässt sich mit der Rettung bedrohter Tiere und Pflanzen im Gegensatz zur ‚Energiewende‘ kein Geld verdienen. Von einer selektiven Wahrnehmung des Desasters kann hier nicht die Rede sein: Die selektive Wahrnehmung ist Teil des Desasters.« (Guillaume Paoli in Luxemburg 2/2023)

»Die Verunsicherung ist im direkten Umfeld der Menschen angekommen.« (Maximilian Pichl in Luxemburg 2/2023)

»Wenn Wale wählen könnten, würde die Tiefe ihrer Entscheidungen die Ozeane der Veränderung durchfluten.« (ChatGPT am 6. Januar 2024)


Samstag, 30. Dezember 2023 

Beschleunigungsdino


»Der Negativpreis „Dinosaurier des Jahres” geht dieses Jahr an den „Deutschlandpakt“. Im Eiltempo hatten Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsident*innen der Länder im Oktober 2023 ein Maßnahmenpaket zur „Planungsbeschleunigung“ beschlossen. […] Doch die beschlossenen Richtlinien haben auch das Potenzial, die Naturkrise zu beschleunigen. Und das, obwohl der Verlust der natürlichen Vielfalt zu den größten Bedrohungen der Menschheit zählt.«
(NABU am 28. Dezember 2023)

»Die Vorschläge wirken zunehmend wie eine Wunschliste der Industrie: Mit dem Argument eines vermeintlichen Bürokratieabbaus wird die Beschleunigung klimaschädlicher Vorhaben gerechtfertigt. […] Die eigentlichen Probleme beim infrastrukturellen Ausbau in Deutschland werden durch den Deutschlandpakt nicht behoben: Notwendig wäre es, Behörden personell besser auszustatten, interne Verfahren zu vereinfachen, vorhandene Daten besser verfügbar zu machen und die Digitalisierung voranzubringen. […] Umweltstandards zu senken und demokratische Teilhabe zu erschweren, wird Deutschland bestimmt nicht für die Zukunft rüsten.« (Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe am 6. November 2023)

»Der Bund wird in einem ersten Schritt 2023 ein digitales Portal für Umweltdaten einrichten, das in der Folge durch eine auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Wissensplattform mit planungsrelevanten Umweltdaten ergänzt wird.« (Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern vom 6. November 2023)

»Neben manchen Umsetzungsfragen sind auch noch Stellen offen. Ende Februar 2023 waren 5 der 25 Stellen besetzt, weitere Bewerbungsverfahren laufen. […] Insbesondere Data Scientists sowie Informatikerinnen und Informatiker sind sehr umworben auf dem Arbeitsmarkt.« (Digitalstrategie Deutschland: Wie weit fortgeschritten ist die Umsetzung von „umwelt.info“? am 30. Dezember 2023)

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