Montag, 18. Januar 2021
Motor für Markterfolg? - Das neue NRW-Klimaschutzgesetz
Das nordrhein-westfälische Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat den Landtagsabgeordneten am 21. Dezember 2020 den vom Landeskabinett verabschiedeten Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz vorgelegt. Minister Andreas Pinkwart spricht von einer neuen Dimension. Klimaschutz sei ein Gewinnerthema, ein Motor für Innovation und Markterfolg. Deshalb stelle die Landesregierung mit dem Gesetz „wichtige Weichen, um das Tempo beim Klimaschutz zu beschleunigen“. Sie möchte mit dem Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen zum modernsten und klimafreundlichsten Industriestandort Europas weiterentwickeln und damit ihren Teil zur Erreichung der Pariser Klimaziele beitragen.
Der Gesetzentwurf legt sich damit auf die Wachstumsstrategien des green deal fest. Er besteht aus Selbstverpflichtungen des Landes und Appellen an die Vorbildfunktion der Städte, Kreise, Gemeinden und Hochschulen. Sie wollen und sollen in eigener Verantwortung den Klimaschutz, Innovationen und die Akzeptanz der Energiewende fördern, die natürlichen Lebensgrundlagen schützen, sich selbst nachhaltig erneuern sowie Industrie und Infrastruktur modernisieren.
Kosten
Welche Kosten dabei auf die jeweiligen Haushalte der öffentlichen Verwaltungen zukommen, könne derzeit noch nicht beziffert werden: "Eventuelle Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte werden im Zuge von separat zu treffenden Vereinbarungen mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutiert“. Sicher sei aber, dass etliche Kosten durch Effizienzgewinne und eine erhöhte Wertschöpfung im Land NRW ausgeglichen werden können. Im Vorwort zu seinem neuen Klimaschutzbericht bemisst Professor Dr. Andreas Pinkwart die Größenordnung: „Die Haushaltsmittel für den Klimaschutz in meinem Ministerium haben sich – neben dem Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung – seit 2017 mehr als versiebenfacht."
Mit direkten finanziellen Auswirkungen auf Unternehmen oder private Haushalte rechnet das Kabinett jedoch nicht.
Ziele
Das derzeit gültige Klimaschutzgesetz wurde am 29. Januar 2013 verabschiedet. Es stammt damit aus der Zeit vor dem Pariser Klimaabkommen. 2013 emittierte jeder Einwohner und jede Einwohnerin in NRW durchschnittlich 16,31 Tonnen Treibhausgas. Dahinter verbergen sich die in sog. CO2-Äquivalente umgerechneten und direkt in NRW entstandenen Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O), Fluorkohlenwasserstoffen (H-FKW/ HFC), perfluorierten Kohlenwasserstoffen (FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6).
Für 2020 gibt das alte Klimaschutzgesetz umgerechnet 14,89 Tonnen vor. Das Ziel könnte unterboten werden, denn infolge der Corona-Pandemie sind die weltweiten Treibhausgasemissionen erheblich gesunken. Der Agora - Think Tank meldete am 5. Januar 2021 „Rekordrückgänge bei CO2-Emissionen und Kohleverstromung.“ Deutschland habe damit das Klimaschutzziel für 2020 erreicht. Als Haupttreiber identifiziert Agora die durch die Rezession bedingten Rückgänge bei Energieverbrauch, Industrieproduktion und Verkehr, relativ hohe CO 2-Preise in Kombination mit niedrigen Gaspreisen, sowie den milden Winter mit geringem Heizenergieverbrauch.
CO2-Minderung müsse nicht mit Reduktion, Verzicht und Rezession verbunden sein, sondern könne Innovationen antreiben, Wirtschaftsstandorte modernisieren, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung steigern, meinen die Vertreter*innen des green deal. Auch NRW setzt darauf, mit europäischem Emissionshandel, öffentlichen Investitionen und Förderprogrammen ein klimaneutrales und ressourcenarmes Wirtschaftswunder so zu entfachen, dass öffentliche Schulden - dank sprudelnder Steuereinahmen – an Bedeutung verlieren. Digitale, ressourcenarme und klimaneutrale Innovationen könnten dann beweisen, dass man in einer endlichen Welt unendlich wachsen kann.
Diesen Beweis möchte das neue Klimaschutzgesetz in Stufen antreten. Bis zum Jahr 2030 sollen als Zwischenziel mindestens 8,93 Tonnen pro Kopf erreicht sein. Das Endziel beschreibt der § 3 Abs. 2 des Gesetzes: „Bis zum Jahr 2050 soll ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen in Nordrhein-Westfalen und dem Abbau solcher Gase durch Senken (Treibhausgasneutralität) technologieoffen, innovationsorientiert und effizient erreicht werden.“
NRW soll Erneuerbare Energien und deren Sektorenkopplung (z.B. Strom-Wärme-Verkehr) ausbauen die Energieeffizienz steigern und den Energieverbrauch reduzieren. Das Land legt sich auf den Import von grünem – mit erneuerbaren Energien erzeugten -Wasserstoff oder Methanol als Energieträger fest. NRW verspricht, die dazu erforderliche Forschung und Entwicklung zu forcieren die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und das Verständnis der Bevölkerung für Klimaschutz zu steigern. Festgeschrieben wird ein Klimaschutzaudit und die Einrichtung eines Klimabeirats.
Negativemissionen
Um möglichst schnell von derzeit ca. 14 Tonnen Treibhausgase pro NRW-Einwohner*in und Jahr auf eine „grüne Null“ zu kommen, muss ein Industrieland wie NRW massiv in sog. Negativemissionen investieren. Es geht um CO2-Abscheidung. Dahinter verbergen sich meist biologische oder technologische Verfahren: Aufforstung, Renaturierung von Mooren und Feuchtgebieten, Herstellung von sog. Biokohle oder unterirdische CO 2 Speicherung.
Für alle Verfahren wird Fläche benötigt. Die ist im dicht besiedelten Industrieland NRW knapp. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass NRW für die CO2-Speicherung Schutzflächen multifunktional nutzen möchte oder bei Aufforstung und Renaturierung auch auf den Ausgleich außerhalb NRWs setzen wird. Wird das neue Diskussionen um CO2-Ausgasung und Grundwasserschutz, um Kolonisierung und Ablasshandel auslösen?
Die Verbändeanhörung zur Entfesselung und Beschleunigung des Klimaschutzes könnte noch spannend werden….
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