23.11.2024

Liebesverwais

Am Totensonntag ist Shopping-Pause angesagt. Zeit, an Liebe und die ‘zweitwichtigste Stunde im Leben’ zu denken…
»Die Sterbestunde ist nach der Geburtsstunde die zweitwichtigste Stunde im Leben.«
Franz Müntefering in der Süddeutschen Zeitung vom 21. November 2024

»Du befindest dich in einem Dämmerzustand und hast kein Gefühl mehr für Zeit. Deine Haut spürt, wenn jemand dich berührt. Dein Puls ist kaum noch spürbar. Deine Hände und Füße werden kalt. Lippen und Mundwinkel färben sich bläulich. Deine Kehle ist trocken. Die Zunge klebt am Gaumen. Du trocknest aus, magst aber weder trinken noch essen. Dein Körper produziert nun schmerzlindernde Stoffe. Dein Atem wird flacher, stockt und macht Pause, bis er mit einem tiefen Seufzer wieder einsetzt.

Nach und nach versagen deine Organe, Leber und Nieren setzen oft als erstes aus. Flüssigkeit lagert sich jetzt im Gewebe und in deiner Lunge. Giftstoffe sammeln sich in deinem Blut, aber das ist für dich nicht unangenehm. Jetzt kannst du nicht mehr schlucken. Speichel sammelt sich in deinem Rachen. Es folgt das Todesrasseln. Dann ist es soweit. Du atmest dein letztes Mal.

Eine oder zwei Minuten später - eine gefühlte Ewigkeit -  breitet sich in deinem Gehirn eine Welle der Entladung aus. Botenstoffe fluten dich. Du kennst sie vom Verlieben, Sport oder Sex, nur Adrenalin, Serotonin, Dopamin. Sie dämpfen Schmerz und steigern Gefühle wie Geborgenheit, Glück und Euphorie. Das letzte große Feuerwerk. Jetzt bist du tot.«
“un_endlich. Leben mit dem Tod“ (1. April – 26. November 2023 im Berliner Humboldtforum) -  DLF am 12. April 2023

»Die Liebe nur, das arme Ding,
Hält bis zuletzt am Bett noch aus
Und schleicht erst, wenn der Atem ging,
Verwaist sich aus dem Sterbehaus.«
Wilhelm Jensen † 24. November 1911