niederrheinisch - nachhaltig 

23.07.2021

CEDIM: Hochwassergefahren wurden unterschätzt

2021-07 Sandhaase auf Pixabay.jpgUm Hochwassergefahren besser einschätzen zu können, sollen Gefahrenkarten historische Daten einbeziehen. Dafür plädieren 12 Forschende der Forensic Disaster Analysis Group (FDA) am CEDIM – Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) 

Die FDA hat am 21. Juli einen ersten 31-seitigen Bericht zur Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Darin kartiert sie Überflutungsflächen mit 19.396 Gebäuden und analysiert die meteorologischen und hydrologischen Ursachen sowie bisher bekannte Schäden. 

Der Ahr ist ein Kapitel zum historischen Kontext gewidmet. Derzeit basieren die Hochwassergefahrenkarten für das Ahrtal auf einer Abflussstatistik mit Messdaten ab 1947. 

Für Altenahr wird das Jahrhunderthochwasser mit einem Abfluss von 241m³ pro Sekunde beziffert. In der vergangenen Woche fiel die Messstation beim Wert von 332 m³/Sekunde überflutungsbedingt aus. Das Landesamt für Umwelt in Rheinland-Pfalz kalkulierte aus Modellrechnungen für die Katastrophennacht 13./14. Juli 2021 einen Pegel von bis zu sieben Metern.  Basierend darauf schätzten die Expertinnen und Experten einen Abfluss zwischen 400 bis 700 m³/s ab.

Die FDA-Expert*innen monieren, dass die beiden schweren Hochwasserereignisse von 1804 und 1910 in der amtlichen Hochwasserkarte unberücksichtigt bleiben. Schätzungen der Universität Bonn für das Ereignis am 21. Juni 1804 liegen bei einem Abfluss von 1.180 m³/Sekunde. Fazit der Forschungsgruppe: „Zusammenfassend wird deutlich, dass bereits in der Vergangenheit Ereignisse beobachtet werden konnten, die einen größeren Abflusswert als 241 m³/Sekunde nahelegen. Wir vermuten, dass das Hochwasserereignis 1804 hinsichtlich der hydrologischen Seite schwerer als das Hochwasserereignis von 2021 war, während das Hochwasser von 1910 ein ähnliches Ausmaß gehabt haben könnte.

Der Klimawandel sorgt mit drei Faktoren für steigendes Gefahrenpotenzial:
• mehr verfügbares Wasser in der Atmosphäre
• zunehmenden Beständigkeit von Großwetterlagen
• ein sich nach Norden verlagernder Jetstream, dem Starkwindband in der oberen Troposphäre.

CEDIM-Sprecher Professor Michael Kunz: „Da für diese drei Faktoren ein positiver Trend zu erwarten ist, wird auch das Potenzial für extreme Niederschlagsereignisse in Zukunft zunehmen.“

Um die steigenden Hochwassergefahren besser abschätzen zu können, plädiert die FDA-Group des CEDIM daher dringend dafür, in die Gefahrenkarten historische Daten einzubeziehen, auch aus der Zeit vor der kontinuierlichen Messaufzeichnung. „Zwar müssen wir bei den Analysen und Interpretationen der Daten grundsätzlich beachten, dass sich sowohl Infrastrukturen als auch Hochwasserschutzmaßnahmen in den vergangenen Jahren verändert haben. Daher lassen sich die Messwerte direkt schwerer vergleichen, und wir sollten uns weniger auf die Pegelstände fokussieren“, erklärt der stellvertretende CEDIM-Sprecher Dr. James Daniell. „Wir können die Pegelstände von 1804 und 1910 als indirekte Anzeiger heranziehen, um Hochwasserjahre zu identifizieren. Messwerte zum Abfluss, über die zeitliche Entwicklung und über die Niederschlagsummen sind für die Interpretation jedoch wichtiger. Letztendlich sollten aber beide historische Größen – Pegel und Abfluss – beim Erstellen von Gefahrenkarten einbezogen werden.“
Den gesamten Bericht können Sie hier downloaden.

Foto: Sandhaase auf pixabay

Grenzlandgruen - 23:25 @ Umwelt und Gesundheit, Raumplanung und Regionalentwicklung, Infrastrukturen und Daseinsvorsorge | Kommentar hinzufügen

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