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26.11.2022
COP 27 – Weiter auf dem „Highway to hell“?
Vom 6. – 20. November 2022 fand im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh die 27. Weltklimakonferenz - COP 27 (1) - statt. Ihre geopolitischen Voraussetzungen waren alles andere als einfach. Von verpassten Chancen, bitteren Ergebnissen oder Stillstand war die Rede.
„Wir kommen einfach nicht voran, die Emissionen steigen, wir gehen immer noch in die falsche Richtung. Vom Klimaschutz kann aus wissenschaftlicher Sicht keine Rede sein”, sagte der Kieler Klimaforscher Professor Dr. Mojib Latif im Deutschlandfunk und stellte das Format der UN-Gipfel generell infrage. Die Weltklimakonferenzen seien zu Wirtschaftsverhandlungen degeneriert. Es brauche stattdessen eine Allianz der Willigen, die beim Klimaschutz vorangehe. „Die 1,5-Grad-Marke werden wir auf jeden Fall reißen”, so der Kieler Wissenschaftler. Im Moment sei die Welt auf einem Kurs von 2,5 Grad Celsius Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. „Ich würde sogar eher sagen: drei Grad”, fügte er hinzu. (2)
„Vor Ort fühlte sich diese COP an wie ein völlig überfüllter Flughafen in der Ferienzeit: Die Menschenmassen waren teilweise unerträglich, überall gab es Sicherheitspersonal und Überwachung, das Essen war überteuert oder unerschwinglich, der Veranstaltungsort war verwirrend, und es ging einfach nicht voran.“ So beschrieben die wissenschaftlichen Beobachter*innen Wolfgang Obergassel. Christof Arens, Christiane Beuermann, Carsten Elsner, Lukas Hermwille, Nicolas Kreibich, Hermann E. Ott, Juliane Schell. Max Schulze-Steinen und Maike Spitzner die Verhandlungssituation. (3)
Manch einer wertete es daher als Erfolg, dass es keine Rückschritte gegenüber der letzten COP in Glasgow (4) gab und dass es eine gemeinsame Abschlusserklärung gab, obwohl derzeit in Europa ein Krieg herrscht
Als wichtigstes Ergebnis gilt, dass das Thema „Schäden und Verluste durch den Klimawandel“ (Loss and Damage) auf die Tagesordnung kam und die Konferenz noch innerhalb der sonntäglichen Verlängerung beschließen konnte, einen noch auszugestaltenden Fonds für die am meisten von Klimawandel betroffenen Länder einzurichten. Den fossil orientierten Wirtschaftslenkern gilt Gas ja immer noch als Motor für die Industrie. Daher könnte “Loss an damage” einen etwas absurden CO2-steigernder Geldkreislauf hervorrufen. Mit europäischer Unterstützung werden z. B. in Senegal und Mauretanien neue Gasfelder erschlossen, dann kaufen Europäer*innen das Gas und sorgen anschließend für einen finanziellen Ausgleich der daraus entstandenen Klimawandelschäden….
Christian Mihatsch hebt positiv hervor, dass die COP 27 auch die Transformation des Finanzsystems, das Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt oder die naturbasierten Lösungen zur CO2-Reduktion erörtert habe (5).
Die Wissenschaftler*innen rund um das Wuppertal-Institut heben in ihrem 39-seitigen Analysebericht (3) unter anderem hervor: die globale Bestandsaufnahme, den Aktionsplan „Breakthrough-Agenda“, die Africa Green Hydrogen Alliance, den neuen Climate Investment Funds (CIFs), die zunehmende Konzentration auf Anpassung und Resilienz, sowie das Drängen auf Metriken, Transparenz und Rechenschaftspflicht, besonders im Hinblick auf die Verpflichtungen des Privatsektors. Sie zitieren in dem Zusammenhang UN-Generalsekretär Antonio Guterres: „Sagen wir es, wie es ist. Es ist verwerflich, gefälschte ‘Netto-Null’-Zusagen zu verwenden, um die massive Ausweitung der Nutzung fossiler Brennstoffe zu verschleiern. Das ist Betrug pur. Diese giftige Vertuschung könnte unsere Welt über die ‘Klimaklippe’ stürzen. Die Täuschung muss ein Ende haben.”
Die Fortschritte seien zu langsam, meinen die „Wuppertaler*innen“, fügen aber nüchtern hinzu: „COP27 war nicht die erste COP, die nur wenige Ergebnisse gebracht hat. In Anbetracht des Problemdrucks gibt es jedoch wohl keinen Unterschied mehr zwischen “großen” und “kleinen” COPs. Jede einzelne COP muss so viel leisten, wie es der Prozess zulässt, wenn es noch eine Chance geben soll, die im Pariser Abkommen festgelegte Temperaturgrenze einzuhalten.“
Seit der Klimarahmenkonvention von 1992 und der COP 1 in Berlin 1995 steigen die globalen CO2-Emmissionen, der CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre und die durchschnittlichen Temperaturen kontinuierlich an. Der Eindruck hat sich verstärkt, dass die Klimakonferenzen sowohl diesen Trend als auch eine absurde und selbstreferenzielle Tagungsmaschinerie antreiben. Hätten die Regierungen es 1992 und 1995 ernst damit gemeint, den Klimakollaps zu vermeiden, hätte es keine COPS 2 – 27 geben müssen.
Guterres sprach vor der Konferenz vom Highway zur Klimahölle, auf dem sich die Welt befindet. In diesem Jahr versuchte Indien, das globale „Glasgow-Signal“ für ein Ende der Kohle auf alle fossilen Brennstoffe auszudehnen, erhielt dafür viel Unterstützung, schaffte es aber nicht in die Rahmenentscheidung. „Wäre die Konferenz nicht von einem Produzenten fossiler Brennstoffe geleitet worden, wäre es wahrscheinlich noch besser gelaufen.“ (3)
Doch die COP27 sei von Abwehrkämpfen dominiert worden – analysiert der Präsident des Wuppertal-Instituts Professor Dr. Manfred Fischedick: „Vor allem von China, die weiter als Entwicklungs- und Schwellenland anerkannt werden wollen, um nicht in internationale Töpfe einzahlen zu müssen. Aber auch von den großen erdöl- und erdgasproduzierenden Ländern, die vermeiden wollten, dass es neben einer Ausstiegsempfehlung für die Verbrennung von Kohle auch eine gemeinsame Erklärung für die perspektivische Abkehr von Öl und Gas gibt und damit wichtige Investitions- und Innovationsimpulse für nicht-fossile Alternativen.“ (6)
NGO‘s kritisieren, dass die fossile Industrie mit über 630 Lobbyisten für Öl, Gas und Kohle auch auf dieser Klimakonferenz stärker vertreten war als die meisten von der Klimakrise betroffenen Staaten. Von einem „Festival der fossilen Energien“ war die Rede. (7) Der finanzkräftige Kampf um Fossilrendite und das Ausbremsen der Erneuerbaren Energien wird wohl auch 2023 fortgesetzt.
Die 28. Abfahrt vom „Highway zur Klimahölle“ erreichen die Vereinten Nationen voraussichtlich zwischen dem 30. November und 12. Dezember 2023 in den für ihren Ölreichtum bekannten Vereinigten Arabischen Emiraten. Wenn die Kursänderung gelingen und sich Latifs 3-Grad-Prognose nicht verfestigen soll, wird es wohl höchste Zeit für neue Radikalallianzen der Einsichtigen und Willigen.
Verweise
1. United Nations Climate Change. [Online] November 2022. https://unfccc.int/cop27
2. Deutschlandfunk. Klimaforscher Latif: Die Klimakonferenzen sind nicht zielführend. [Online] 21. November 2022. https://www.deutschlandfunk.de/bilanz-der-un-klimakonferenz-interview-mojib-latif-klimaforscher-dlf-5ae1397f-100.html
3. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie . Letzter Aufruf für 1,5 Grad. [Online] 25. November 2022. https://wupperinst.org/fa/redaktion/downloads/publications/COP27-Report_de.pdf
4. Grenzlandgrün. Glasgow - ein Wendepunkt wohin? [Online] 20. November 2021. https://www.grenzlandgruen.de/Blog;focus=TKOMSI_com_cm4all_wdn_Flatpress_22892279&path=?x=entry:entry211120-200305#C_TKOMSI_com_cm4all_wdn_Flatpress_22892279__-anchor
5. Mihatsch, Christian. UN-Klimagipfel endet mit guten und schlechten Ergebnissen. Klimareporter. [Online] 20. November 2022. https://www.klimareporter.de/klimakonferenzen/un-klimagipfel-endet-mit-guten-und-schlechten-ergebnissen
6. Fischedick, Manfred. “Abwehrkämpfe überwiegen - wichtige Zeit verloren”. [Online] 21. November 2022. https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/7924
7. Global witness. 636 fossil fuel lobbyists granted access to COP27. [Online] 10. November 2022. https://www.globalwitness.org/en/campaigns/fossil-gas/636-fossil-fuel-lobbyists-granted-access-cop27/
Grenzlandgruen - 08:51 @ Akteure und Konzepte | Kommentar hinzufügen
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